An hoechster Stelle
hat vier Männer umgebracht, die für den Mord an ihrem Sohn und vier anderen mitverantwortlich sind; außerdem hat sie auch noch zwei Strolche erschossen, die in Manhattan versucht haben, ein Mädchen zu vergewaltigen? Nein, so etwas war nicht einmal denkbar.
Niemals würde er irgendetwas tun, das ihr schaden könnte. Sie bedeutete ihm einfach zu viel. Und wenn er ganz ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass er damals in Vietnam ja selbst Menschen getötet hatte, manche aus Notwehr, manche einfach, weil Krieg gewesen war, und eines wusste er mit absoluter Sicherheit: Wenn er jemals diesen mysteriösen Verbindungsmann vor sich hätte, würde er ihn eigenhändig ohne die geringsten Gewissensbisse umbringen.
Nachdem sie geduscht und sich umgezogen hatte, ging Helen Lang in ihr Arbeitszimmer und setzte sich an den Computer. Sie war inzwischen eine richtige Expertin geworden und hatte bald die nötigen Angaben über Senator Cohans Reise auf ihrem Schirm, einschließlich seiner Ankunftszeit und der Nummer seiner Suite im Dorchester-Hotel. Offensichtlich ließ er sich immer dieselbe reservieren, wenn er in London war. Einen Moment überlegte sie, dann ging sie hinunter in die Küche.
»Kommen Sie, Hedley, das Essen wartet.« Sie griff nach ihrer Schaffelljacke, die hinter der Tür hing, und lief über den Hof zum Mercedes, der in der offenen Scheune parkte.
Im Pub war es ruhig, wie immer um diese Jahreszeit. Der typisch altenglische Schankraum hatte große steinerne Bodenfliesen und eine niedrige Decke mit frei liegenden Balken; im offenen Kamin brannte ein Holzfeuer, und hinter der langen Eichentheke mit den Zapfhähnen standen aufgereihte Flaschen. An der Theke saßen vier alte Männer aus dem Dorf, die meist hier zu finden waren und die sie und Hedley herzlich begrüß
ten. Einer der Männer zog sogar seine Kappe.
Die Kellnerin war eine Frau mittleren Alters namens Hetty Armsby, und der fünfundachtzigjährige Mann, der auf einem der Hocker saß und die London Times las, war ihr Vater Tom.
»Die Times , aha?«, fragte Helen.
»Ich bleibe gern auf dem Laufenden«, erwiderte er. »Hält mein Gehirn in Schwung. Aus der Times erfährt man die Fakten, zum Beispiel über die momentane Lage dieser ganzen irischen Sache, obwohl ich nie begreifen werde, warum man die Amis da mit reingezogen hat.«
»Ein Bier für Hedley, eines für Ihren Vater, und für mich einen Gin mit Tonic«, bestellte Lady Helen.
»Wollen Sie auch was essen?«, fragte Hetty.
»Sheperd’s pie, dazu Ihr selbst gebackenes Brot.« Helen zog eine Zigarette aus ihrem Etui, und Hedley gab ihr Feuer. »Na, ich weiß nicht, Tom. Ich bin immerhin auch ein Ami, das wissen Sie doch.«
»Ist ja nicht Ihre Schuld, Lady Helen«, kicherte er.
»Sie altes Scheusal. Schauen Sie bloß mal an die Wand.«
Dort hing eine Serie von gerahmten Schwarzweißfotos, auf denen einige Flugzeuge zu sehen waren, etliche deutsche Dorniers und zwei amerikanische B17-Bomber, von denen einer im Wasser der Bucht lag; der andere hatte eine Bruchlandung am Strand gemacht. Daneben stand lachend die Besatzung.
»Stimmt schon«, nickte Tom. »Waren tolle Burschen. Wir haben sie hierher gebracht, wo sie drauf warteten, dass sie vom Stützpunkt abgeholt wurden. Bis die Laster kamen, waren alle sinnlos besoffen. Der eine oder andere ist im Lauf der Jahre immer mal wieder hergekommen.
Aber mittlerweile leben die meisten wohl schon nicht mehr, denke ich mir.«
Hetty erschien mit einem Tablett. »Setzen Sie sich dort drüben an den Kamin, Lady Helen.«
Sie deckte den Tisch. Lady Helen und Hedley nahmen Platz und begannen zu essen. »Gut, Hedley?«
»Das wissen Sie doch. Manchmal kann ich’s immer noch nicht recht begreifen. Ich war ein Junge in Harlem, der sich irgendwie durchs Leben schlug, dann kam Vietnam, und jetzt lebe ich in einer friedlichen Gegend Englands, sitze in einem Pub wie aus einem Roman von Jane Austen und esse einen Eintopf, der Sheperd’s pie heißt.«
»Und es gefällt Ihnen.«
»Ich find’s herrlich, Lady Helen, sogar diese verrückten Leute.«
»Von denen jeder Sie gern hat. Also ist doch alles bestens.«
Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten, bestellte sie eine Kanne englischen Frühstückstee. »Viel besser für Sie als Kaffee, Hedley, und ich möchte, dass Sie einen klaren Kopf haben.«
»Warum?«
»Senator Cohan trifft übermorgen im Dorchester
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