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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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kennen scheint, überlegt kurz, ob sie die Pumps von den Füßen streifen soll, um nicht solchen Krach zu machen, verwirft den Gedanken. Unmöglich!
    Was tue ich hier?
    Ein Lieferfahrzeug schiebt sich zwischen sie und die junge Frau, die, als die Sicht wieder frei wird, nicht mehr zu sehen ist. Sie muss zu den Flugsteigen 7-16 abgebogen sein, denkt Greta
und hastet den Gang entlang. Zwei Mal durchquert sie die Warteräume, stoppt vor jeder Sitzreihe, verfolgt die Bewegungen der herbeiströmenden Passagiere.
    Ein Mann vom Sicherheitsdienst nähert sich: »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Nein, danke. Ich bin auf der Suche nach jemandem, den ich aus den Augen verloren habe. Hier …«
    Sie hebt den Kragen ihres Jacketts an, wo der Ausweis angebracht ist, der sie dazu berechtigt, sich überall im Terminal zu bewegen. Der Wachmann schaut auf die Karte, nickt freundlich und setzt seine Runde fort.
    Greta lässt sich auf eine Bank fallen, atmet schwer, kramt eine Zigarette aus der Handtasche.
    »Sie dürfen hier nicht rauchen!«
    »Ja, ja. Schon gut.«
    In diesem Moment öffnet sich die Tür zur Damentoilette.
    Die junge Frau tritt heraus, bleibt für eine Sekunde mit direktem Blickkontakt zu Greta stehen: ein freundlich fragender Blick, der Ansatz eines Lächelns im Vorübergehen.
    Greta schließt die Augen, ignoriert das klingelnde Telefon in ihrer Jacketttasche und horcht den Schritten der Frau, die nicht ihre Tochter ist, nach, bis sie in der Polyphonie des Terminals verklungen sind.
    »Passagiere Fischer und Gonzalez, gebucht Flug Nr. LH347 nach Lissabon, werden gebeten, sich unverzüglich am Flugsteig A23 einzufinden! Passagiere Fischer und Gonzalez!«
    An einem Ort wie diesem wäre sie womöglich der Begegnung mit Marta gewachsen gewesen, denkt sie.
    Greta hat die nach Tageszeiten auf- und abschwellenden Klangwellen aus Menschen, Koffern, Maschinen vom ersten Tag an gemocht. Sie fühlt sich wohl inmitten der Flüchtigkeit und
Verlorenheit, die Reisende ebenso verbindet wie trennt. Hier ist jeder unterwegs von irgendwo weg oder zu irgendwem hin; alles Mögliche oder Unmögliche kann sich jederzeit ereignen. Oder gar nichts. Man ist ohnehin gleich wieder fort.
    Gut, dass es nicht Marta war.

    »Lass sie in Ruhe.« Noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden sind vergangen, seit Katharina ihr diese Worte entgegengeblafft hat: »Es bringt nichts.«
    Die Kleine tat einmal mehr geheimnisvoll, als sie gestern Abend bei ihr auftauchte, erging sich in Andeutungen, spielte mit Zetteln herum, auf denen Telefonnummern notiert waren, die sie rasch in ihrer Tasche verschwinden ließ, wenn sie genug Aufmerksamkeit darauf gelenkt hatte. Vor kurzem war sie wieder mit Marta zusammengetroffen. In Berlin. Greta brauchte nicht lange, um das herauszufinden. Auf ihre zögernde Nachfrage hin zuckte Katharina mit den Schultern. »Ich habe dir schon öfter gesagt: Mach dir keine Hoffnungen. Diesmal habe ich sogar versucht, ein Gespräch über dich zu führen.«
    Greta war zusammengezuckt. »Wirklich? Was hast du über mich erzählt? Wie hat sie reagiert?«
    Katharina schnaubte ungehalten.
    »Sie mochte nicht einmal ein Foto von dir ansehen. Marta will definitiv nichts von dir wissen, akzeptiere das einfach.«
    Greta ärgerte sich seit geraumer Zeit über das Gehabe ihrer Jüngsten, wenn es um den Kontakt zur Schwester ging. Bei diesem Treffen aber hatte Katharina endlich von ihr, der Mutter, gesprochen. Ihr Name war gefallen, und Marta hatte ihn gehört, war nicht darum herumgekommen, von ihrer Existenz Kenntnis zu nehmen. Greta verbrachte den Rest des Tages zwischen Hoffnung und Verzweiflung, bis sich nach und nach Resignation breitmachte.
    Wenn Marta sich selbst einem Foto verweigerte, war nichts zu erwarten, und es wäre für alle Beteiligten das Beste, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Die Sprachlosigkeit währte schon zu lange.
    Lass sie in Ruhe.
    Sie war mit dem Gedanken eingeschlafen, dass sie Katharinas Rat befolgen sollte.
    Und heute rennt sie kopflos einer Fremden hinterher, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Marta aufweist. Sie, die den Großteil ihrer Energie dafür aufwendet, sich immer und überall im Griff zu haben, von der sowohl ihre Mitarbeiter wie ihre Vorgesetzten berichteten, dass sie niemals etwas Unüberlegtes tut.
    Was hätte sie Marta denn gesagt?
    »Guten Tag, du wolltest mein Gesicht nicht einmal auf einem Bild anschauen, aber hier bin ich, deine Mutter, lass uns einen Kaffee trinken?«
    Siebzehn Jahre. Man konnte sich

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