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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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trocknen, scheitert und garniert den Kragen mit weißen Fusseln, die auf dem dunkelblauen Stoff wie Pilzsporen oder Schuppen aussehen. Das ist ihr jetzt auch schon egal. Sie muss wieder an diesen Tisch zurück und hat keinerlei Vorstellung, wie sie den Auftritt gestalten soll.
    Ich habe ein paar Worte verloren, könnte ich sie bitte zurückhaben?
    Um Positionen geht es nicht.

    Die Sonne hatte in das geblümte Zimmer geschienen, als Paul von seiner Morgenrunde mit dem Hund zurückgekommen war und Marta auf der Bettkante über ihr Telefon gebückt vorgefunden hatte, den gepackten Koffer neben sich. Sie hielt ihm das Display vor die Nase und sagte: »Ich reise heute ab.«
    Paul las, sah sie verständnislos an, deutete dann auf die Nachricht. »Deswegen?«

    »Ja. Ich habe für vierzehn Uhr einen Flug bekommen. Mit dir und Yannis im Auto zurückzufahren würde zu lange dauern. Richard wird übermorgen schon beerdigt.«
    »Du gehst mit ihr hin?«
    »Ich will mir Greta erst mal anschauen.«
    Paul lächelte, und Marta fauchte, was dieses Grinsen solle.
    »Ich finde das gut.«
    Sie zuckte mit den Schultern und begann ihre Beine in die engen Stiefel zu zwängen.
    »Doch, das ist mutig und vielleicht der richtige Zeitpunkt. Du bist in der besseren Position: Sie will etwas von dir, sie muss zuerst etwas auf den Tisch legen. Und du kannst vor Ort entscheiden, ob du auch etwas von ihr willst.«
    »Was kann ich von ihr schon wollen.«
    »Weiß ich doch nicht.«
    Marta verschwand im Bad, um dem Gespräch ein Ende zu setzen, und Paul machte bei ihrer Rückkehr keine Anstalten, es wieder aufzunehmen. Er teilte ihr mit, dass er in drei bis vier Tagen nachkomme, sie könnten ja telefonieren. St. Malo und den Mont St. Michel wolle er sich noch ansehen, eventuell einen Abstecher nach Metz machen und in Straßburg bei einem Freund übernachten, der schon lange auf einen Besuch von ihm warte. Er müsse streng genommen erst am Mittwoch wieder in Berlin sein. Marta konnte sich nicht entscheiden, ob sie ihm dankbar sein sollte, dass er keinen Versuch unternahm, ihr Beistand zu leisten, oder nicht. Später wunderte sie sich über sich selbst, als sie feststellte, wie gut es ihr tat, dass er sie beim Abschied am Flughafen in seine Arme nahm und sagte: »Melde dich, wenn du mich brauchst. Und sei es nur, um dich auszukotzen.« Es war ihr schwergefallen, ihn loszulassen und allein durch die Sicherheitskontrolle zu gehen. Vor dem Start hatte sie noch eine Nachricht
für Paul in ihr Telefon getippt, vorerst aber nur auf Als Entwurf sichern gedrückt.

    Ich war auch schon mal besser im Einzelkampf, denkt sie und lässt sich auf den Toilettensitz fallen. Lisa ruf mich an! hat jemand auf die Klotür gekritzelt; die Buchstaben verschwimmen, fallen einzeln aus dem Zusammenhang, Marta hält sich am Rand der Klobrille fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Zu viel Alkohol und Nikotin auf nüchternen Magen, denkt sie und dass es noch eine Weile dauern wird, bis sie geraden Schrittes an den Tisch zurückkehren kann.

    Auch wenn sie recht hat, ist das nicht die Wahrheit, denkt Greta und nickt, als Marta sagt, sie ginge aufs Klo.
    Der Rücken ihrer Tochter verschwindet hinter einer Säule, taucht zwischen zwei Tischen wieder auf und wird beim Betreten der Treppe federnd aus ihrem Blickfeld gezogen. Als Greta den wippenden Pferdeschwanz bemerkt, krampft sich ihr Kehlkopf zusammen. Ist das wirklich erst wenige Tage her?
    Ein heftiger Schmerz fährt ihr durch den Unterbauch, Greta schnappt nach Luft, beugt sich nach vorne und presst ihre Fäuste ins weiche Fleisch, um nicht vom Stuhl zu fallen. Als der Krampf nachzulassen beginnt, richtet sie sich langsam wieder auf und versucht ruhig ein- und auszuatmen. Eine Frau am Nachbartisch schaut besorgt zu ihr herüber, Greta zwingt ein Lächeln hervor, »alles gut, es geht schon wieder«. Die Frau runzelt ungläubig die Stirn, wendet sich dann wieder ihrem Gesprächspartner zu.
    Das Schlimmste ist gesagt.
    Wenn sie zurückkommt und sich wieder hinsetzt, haben wir eine Chance.
    Marta braucht lange, denkt Greta, aber da hängt ihre Jacke
über der Stuhllehne; sie wird noch einmal auftauchen. Greta greift nach ihrer Zigarettenschachtel, schaut zu dem Mann am Tresen, der den Kopf schüttelt: »Bedaure!«
    Als Greta die Packung in ihre Handtasche zurückgleiten lässt und nach einer anderen Beschäftigung für ihre Hände sucht, knistert der braune Umschlag, den sie ohne weiter darüber nachzudenken eingesteckt

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