An und für dich
ich für meine Familie sorgen kann, und sie findet, ich verrate sie. Ich gehe dazwischen, als einer meiner Schüler einen anderen zusammenschlagen will, und sie hält mich für den Bösen.«
Er schüttelte traurig den Kopf.
»Ich weiß nicht, für was für einen Menschen sie mich hält, Saffy. Aber weißt du was? Ich mag ihn auch nicht besonders.«
25
Greg zog sich auf der Mitarbeitertoilette um. Greta von Venom hatte ihm gesagt, er solle Turnschuhe mitbringen, den Rest würde der Supermarkt in Dun Laoghaire stellen. Dieser Rest stellte sich als Sellerie-Kostüm heraus: ein grüner Ganzkörperanzug, ein steifer, grüner Schlauch mit Löchern für die Arme, der ihm vom Hals bis zu den Knien ging, und ein großes Kopfteil mit Blättern und einem Cartoon-Gesicht. Er hätte fast auf der Stelle wieder kehrtgemacht. Dann erinnerte er sich daran, dass Brad Pitt früher in einem Hühnerkostüm Werbung für ein Restaurant gemacht hatte – und jetzt war er ein Superstar.
Er hatte den Job als Model für den Unterwäschekatalog nicht bekommen, und auch die anderen Auditions waren erfolglos gewesen. Er war eigentlich ganz froh darüber, denn der Brief von Lauren hatte ihm doch Angst gemacht. Er hatte Greta gesagt, dass er nur Jobs wollte, bei denen sein Gesicht nicht zu sehen war. Er wollte ja nicht gleich alle Brücken hinter sich abbeißen.
Die anderen Gemüsesorten hatten sich schon im Büro des Marktleiters versammelt. Ein hübsches Mädchen war als Tomate verkleidet, ein sehr großer Mann als Mohrrübe, und eine Frau mit vorstehenden Zähnen, die ein ausgepolstertes, violettes Kostüm trug, sollte wohl eine Aubergine sein. Die anderen bekamen bestimmt gerade mal fünfzehn Euro die Stunde dafür, aber Greta hatte es geschafft, einen Modelltarif für ihn herauszuschlagen: 63,49 Euro pro Stunde. Greg hatte sich das auf seinem iPhone ausgerechnet: Wenn er es hier fünf Tage lang aushielt, hatte er schon die Hälfte der monatlichen Kreditrate für die Wohnung zusammen.
Für 507,92 Euro am Tag konnte man sich wohl mal zum Obst machen. Hey, das war ja ganz schön witzig. Er sollte wirklich mal darüber nachdenken, eine Sitcom zu schreiben.
»Na dann, Leute.« Der Marktleiter war ein Bär von einem Mann und trug einen schlecht sitzenden Anzug. »Ihr wisst Bescheid. Ihr flucht nicht, esst nicht und raucht nicht im Kostüm. Und macht euch nicht an die Kunden ran.«
Er gab jedem von ihnen einen Stapel Coupons.
»Die gebt ihr den Kunden«, sagte er, »aber passt bei den Rentnern auf. Die sind Coupon-Haie. Nur einen pro Person!«
Greg betrachtete den Coupon. Darauf war ein Gesicht aus Gemüse – die Augen waren Tomaten, der Mund eine Banane und die Haare bestanden aus sehr seltsam aussehenden Brokkoliröschen.
5 am Tag – so geht’s ganz einfach!
Zum Frühstück eine Banane.
Mittags als Beilage Möhren.
Zwischendurch ein paar Weintrauben, Gurkensticks oder Cherrytomaten.
Zum Abendbrot eine Portion Brokkoli.
Zum Nachtisch einen Apfel oder eine Orange.
Mit diesem Coupon sparen Sie 1 Euro, wenn Sie für 10 Euro Obst und Gemüse kaufen.
Greg betrachtete die Rückseite. Sie war leer.
»Houston«, sagte er. Seine Stimme klang ungewohnt und wurde von den Wänden seines Kopfteils zurückgeworfen. »Wir haben ein Problem.«
»Wie bitte?« Der Marktleiter sah genervt aus. Greg konnte diese passiv-aggressive Masche nicht leiden.
Er zeigte auf den Coupon.
»Na, hier ist die Rede von Möhren, Tomaten und Gurken. Ich bin doch aber Sellerie, oder? Sellerie kommt gar nicht vor.«
»Wie schrecklich«, sagte der Marktleiter. »Und wir haben 500.000 davon drucken lassen.«
Die Aubergine kicherte.
»Außerdem«, Greg sah sich um, »sind wir alle Gemüse. Und es soll doch eine Werbeaktion für Obst und Gemüse sein. Ich seh hier kein Obst.«
Die Tomate meldete sich. »Na ja, streng botanisch gesehen bin ich Obst.«
»Außerdem machen wir uns hier ja wohl alle irgendwie zum Obst«, sagte die Möhre.
Greg entdeckte eine Frau vor dem Süßigkeitenregal. Massige Oberschenkel. Doppelkinn. Ordentlich Hüftgold.
»Na, was geht?« Seine Stimme klang ganz anders als sonst, niemand konnte sein Gesicht sehen, er war völlig anonym. Es fühlte sich geradezu befreiend an. »Wussten Sie, dass man bei der Verdauung von Sellerie mehr Energie verbraucht, als man sich zuführt?« Er drückte ihr einen Coupon in die Hand. »Je mehr Sie davon essen, desto mehr nehmen Sie also ab.«
Er stolzierte davon und lächelte in seinem Riesenkopf vor sich
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