Ana Veloso
rund zwei Jahren noch
nicht erlaubt hatte: Er würde um Vitória da Silvas Hand anhalten.
XIV
Eduardo da Silva liebte seine Tochter abgöttisch.
Er war kein Mann, der seine Gefühle gut zeigen konnte, aber er war sich sicher,
dass Vitória die kleinen Zeichen seiner innigen Zuneigung richtig zu deuten
vermochte. Der rassige Wallach, den er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte; die
Marmorwanne, für die eines der vielen Schlafzimmer auf Boavista eigens in ein
elegantes Badezimmer umgebaut worden war, das Vitória ganz allein zur Verfügung
stand; das kostbare Diadem aus Brillanten, das sie letztes Jahr zum Geburtstag
bekommen hatte – all das bewies doch, dass er ihr keine Bitte abschlagen
konnte.
Und jetzt das.
Unmöglich konnte er diesem Wunsch nachkommen.
Eine Vorauszahlung auf ihren zu erwartenden Erbteil – welche halbwegs normale
junge Frau hatte solche Ideen? Und dieses Gerede von einem Mittelsmann, der für
Vitória, die ja noch gar nicht geschäftsfähig war, das Geld anlegen würde – wie
kam das Kind nur auf so abstruse Gedanken? Warum sollte er ihr Geld geben, das
sie wiederum einem Fremden anvertrauen würde? Das allein bewies doch nur zu
deutlich, wie unausgegoren die ganze Idee war.
»Vitória, das ist ganz und gar inakzeptabel.
Dein Vater und ich werden, so der Herrgott will, noch viele Jahre leben. Willst
du uns etwa ins Grab reden mit deinen unmöglichen Vorstellungen?«, hatte Dona
Alma eingewandt, und Eduardo musste seiner Frau zustimmen. Eines Tages, wenn
Pedro Boavista übernehmen würde, hätte Vita ein Recht auf die Hälfte des Wertes
der Fazenda, und Pedro würde seine Schwester auszahlen müssen. Aber solange er,
Eduardo da Silva, noch der Herr auf Boavista war, würde er Ländereien, Sklaven
und Vieh zusammenhalten und Gewinn bringend damit arbeiten.
»Dann geben Sie mir ein zinsloses Darlehen auf
meine Mitgift«, hatte Vitória gebettelt.
»Deine Mitgift wirst du bekommen, wenn du
heiratest. Dann hast du einen Ehemann, der sich um das Geld kümmern kann«,
hatte Eduardo erklärt.
»Aber Pai, ich werde nicht heiraten, das habe
ich doch schon tausendmal gesagt.«
»Und wenn du es hunderttausendmal sagst – mit
deinen neunzehn Jahren bist du nicht in der Lage, solche Entscheidungen zu
treffen. Du wirst es dir sicher wieder anders überlegen, sobald der Richtige
auftaucht. Junge Mädchen sind wankelmütig, und das ist auch einer der Gründe,
warum ich dir so viel Geld nicht anvertrauen kann.«
»Das ist nicht der Grund. Sie fürchten, ich könnte
Recht haben. Sie haben Angst, der Realität ins Auge zu blicken. Die Abschaffung
der Sklaverei ist nicht mehr fern, ganz gleich, was wir alle davon halten mögen.
Und dann gnade uns Gott: Die Sklaven werden alles stehen und liegen lassen,
niemand wird unsere Ernte einholen können, Boavista wird vor dem Ruin stehen.
Ich möchte doch bloß das größte Unheil abwenden, im Interesse von uns allen.«
»Kind,
wie kannst du dir nur solche Reden anmaßen?«, fuhr Dona Alma sie an. »Traust du
dem Urteil deines Vaters weniger als deinem? Stellst du deine Ansichten über
seine?«
»In dieser einen Sache: Ja. Ich bin fest davon überzeugt,
dass die Abolition nur noch eine Frage von Monaten ist. Brasilien ist das
letzte Land der Erde, in dem die Sklaverei rechtens ist, und ein Herrscher wie
Dom Pedro, der allem Fortschritt so zugetan ist, kann solche Zustände nicht länger
dulden.«
»Bitte, Vita, jetzt versuche dich nicht auch
noch als Politikerin. Du weißt, dass Brasilien nicht mit anderen Ländern
vergleichbar ist. Als Christenmensch und als moderner Herrscher mag Dom Pedro
die Sklaverei verabscheuen. Aber in unserem Land geht es nun einmal nicht ohne.
Wir haben kaum Industrien, wir leben vom Anbau landwirtschaftlicher
Erzeugnisse. Wer sonst soll denn Zucker, Kakao oder Kaffee ernten, wenn nicht
die Neger?«
»Aber Pai, ich selber will die Sklaven ja nicht
in die Freiheit entlassen. Ich will nur vorsorgen für den Tag, an dem jemand
anders dies tut. Und glauben Sie mir: Dieser Tag naht schneller, als es uns
lieb sein kann.«
»Hättest du Rogérios Antrag angenommen, wärst du
jetzt Herrin auf Santa Clara und könntest schalten und walten, wie du wolltest.
Aber solange du unter unserem Dach wohnst, erwarten wir von dir, dass du dich
benimmst wie eine anständige Tochter«, ereiferte sich Dona Alma.
»Hätte ich Rogérios Antrag angenommen, hätte er
meine Mitgift an sich gerissen und sie schnurstracks verjubelt. Ich hätte auf
Santa Clara
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