Ana Veloso
nicht das Geringste zu sagen, denn mein Mann und meine
Schwiegermutter würden mich zu einem Leben am Stickbrett und im Beichtstuhl
verdonnern. Bitte, Mãe, stellen Sie sich nur einmal vor, Sie hätten Dona
Edmunda zur Schwiegermutter gehabt! Was für ein Albtraum!«
»Nicht so ein Albtraum wie der, eine alte
Jungfer zu werden.«
»Oder der, eine mittellose alte Jungfer zu
werden ... Aber um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Rogério, diesem
Charmeur, der einen Goldfranken nicht von einem Vintém unterscheiden kann, hätten
Sie meine Mitgift anvertraut. Mir, Ihrer Tochter, der Sie eine gute Ausbildung
haben angedeihen lassen und die Sie Mut und selbstständiges Denken gelehrt
haben, trauen Sie den Umgang mit dem Geld nicht zu? Das empfinde ich als
beleidigend.«
Eduardo sah seine Tochter nachdenklich an. Im
Grunde hatte sie Recht. Sie hatten Vita dieselbe Bildung vermittelt wie Pedro.
Als Kinder hatten beide Privatlehrer gehabt, sie waren gemeinsam in Mathematik,
Literatur, Französisch, Portugiesisch und Religion unterrichtet worden. Später
war Vitória auf die beste Mädchenschule in Valença geschickt worden, um darüber
hinaus auch die Fertigkeiten zu perfektionieren, die bei einer höheren Tochter
erwartet wurden: das Klavierspiel, Gesang, verschiedenste Handarbeiten. Auch
ausreichende Kenntnisse der schönen Künste, der Geschichte und der Philosophie
wurden den Schülerinnen im »Colégio Santa Gertrude« vermittelt, damit sie später
bei jeder Konversation damit glänzen konnten. Zudem hatte ihm seine Tochter in
den vergangenen drei Jahren bei der Leitung von Boavista zur Seite gestanden,
und er wusste so gut wie niemand sonst, dass Vitória klug, geschäftstüchtig und
umsichtig war. In ihren Händen wäre Boavista wahrscheinlich sogar noch besser
aufgehoben als in denen seines Sohnes.
Aber Vitória war nun einmal kein Mann, weiß Gott
nicht. Sie war das hübscheste Mädchen der Provinz Rio de Janeiro, und eines
Tages wäre sie eine wunderschöne Ehefrau und Mutter. Ach, wie sehr er sich
Enkelkinder wünschte! Wenn er jetzt Vitórias Drängen nachgäbe und ihr ein
Darlehen auszahlte, dann würde sie sich womöglich nie einen Mann suchen – die,
die Dona Alma und er selber ihr gesucht hatten, verschmähte sie ja alle. Und in
der Tat: Irgendwann wäre sie eine alte Jungfer, verspottet und verlacht im
ganzen Vale. Vitória war doch gar nicht in der Lage, sich die Konsequenzen
ihrer Starrsinnigkeit vorzustellen. Nein, das Kind musste unter die Haube! Und
dann würde ihr all das zugute kommen, was sie gelernt hatte.
Seine Frau schien denselben Gedanken gehabt zu
haben. »Vitória, Schatz, wir trauen dir durchaus den Umgang mit Geld zu. Nur
nicht den mit dem Geld deines Vaters. Dafür ist immer noch er zuständig. Wenn
du heiratest, wirst du mehr Einfluss haben, du wirst dein Vermögen und das
deines Mannes mehren können. Dazu haben wir dich erzogen, und ein kluger Mann
wird immer auch eine kluge Ehefrau zu schätzen wissen und auf ihr Urteil hören.
Noch mehr schätzen die Männer allerdings Schönheit und Jugend bei einer Frau.
Du wirst in drei Monaten zwanzig Jahre alt, und wenn du nicht bald heiratest,
machst du dich – und uns – zum Gespött der Leute.«
»Zum Gespött der Leute mache ich mich als Dona
Vitória Leite Corrêia oder als Senhora Vieira de Souto. Ganz ehrlich, Mãe: Könnten
Sie sich Edmundo oder Rogério als Ihren Ehemann vorstellen?«
»Ich brauche mir das nicht vorzustellen, ich
habe schließlich einen Mann. Und Rogério hast du ja nun abgewiesen, er wird
kaum ein zweites Mal um deine Hand anhalten. Edmundo, nun, er ist ein wenig schüchtern,
aber bestimmt ein wunderbarer Ehemann. Er kommt aus einer sehr guten Familie,
er wird eines Tages sehr reich sein, und er würde alles für dich tun. Da er ein
wenig verträumt zu sein scheint, hättest du als seine Frau mehr als genug
Gelegenheit, dein geschäftliches Talent unter Beweis zu stellen. Er wäre
perfekt für dich.«
»Er hat immer angetrocknete Spucke in den
Mundwinkeln kleben.«
Eduardo da Silva musste gegen seinen Willen
lachen. Dona Alma warf ihm einen bösen Blick zu, aber Vitória fühlte sich
ermutigt, weitere Argumente gegen Edmundo vorzubringen.
»Er vergisst immer, sich die Schuppen von seinen
Schultern zu wischen.« Sie sah zu ihrem Vater, der mit Müh und Not einen
Lachkrampf unterdrückte. »Er sieht mir nie in die Augen, wenn er mit mir
spricht. Er hat einen schlaffen Händedruck. Und er tanzt so schlecht,
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