Ana Veloso
dass ich
nach jedem Ball die Tanzschuhe wegwerfen muss, weil er so oft darauf steht. Er
ist indiskutabel. Eher würde ich noch Joaquim Fagundes nehmen.«
»Werd jetzt nicht frech.« Dona Alma verlor allmählich
die Geduld.
»Nichts liegt mir ferner, Mäe. Es ist mein
voller Ernst. Als Mann ist Joaquim jedenfalls attraktiver als Edmundo, wenn er
auch sonst nicht viel taugen mag.« Das war stark untertrieben. Joaquim Fagundes
galt als Herumtreiber, Trinker und Spieler. Das väterliche Erbe hatte er zum
Fenster hinausgeworfen, und er tat nichts, um selber Geld zu verdienen. Dafür
sah er gut aus und war ein begnadeter Tänzer. Allzu oft kam Vitória allerdings
nicht in den Genuss, sich in seinen starken Armen zu drehen und sich von ihm
herumwirbeln zu lassen: Joaquim wurde kaum noch eingeladen. Jedenfalls nicht
von respektablen Leuten.
»Was heißt hier schon > als Mann < ? Ein Mann
wird nicht dadurch zum Mann, dass er gut aussieht oder dass er tanzen kann. Ein
echter Mann zeichnet sich durch Charakterfestigkeit und Ehrbarkeit aus, und an
beidem mangelt es Senhor Fagundes.«
»Schon gut, ich will ihn ja auch gar nicht
heiraten. Ich will überhaupt niemanden heiraten. Ich weiß gar nicht, wie wir
nun wieder auf dieses leidige Thema zu sprechen gekommen sind. Ich wollte doch
nur etwas Geld, das ich selber anlegen kann. Die Gewinne möchte ich ja nicht
einmal für mich behalten. Sie sollen uns nur ein Leben erlauben, wie wir es
gewohnt sind, auch in schlechteren Zeiten.«
Dona Alma erhob sich ächzend von ihrem Stuhl. In
den vergangenen zwei Jahren hatte ihr gesundheitlicher Zustand sich zusehends
verschlechtert. Dreimal pro Woche kam der Doktor nach Boavista, um nach ihr zu
sehen und um ihr die einzige Medizin zu geben, die ihr vorübergehend Linderung
verschaffte. Eduardo da Silva hatte mit dem Gedanken gespielt, seiner Frau eine
Pflegerin zur Seite zu stellen, die sich rund um die Uhr um sie kümmern konnte,
doch davon wollte Dona Alma nichts wissen. »Aber nein, Eduardo, ich bin doch
noch keine Greisin«, hatte sie sich gesträubt. Rein äußerlich wirkte sie
allerdings wie eine. Ihr Haar war inzwischen fast weiß, ihre Haut war
pergamentartig und von gräulicher Farbe, ihre Hände waren knochig, immer
eiskalt und schienen schon bei einem normalen Händedruck zu zerbrechen.
»Diese Diskussion ermüdet mich. Ich denke, ich
ziehe mich eine Weile zurück und versuche ein wenig Ruhe zu finden.« Dona Alma
ging langsam in Richtung Treppe. Eine Hand legte sie in ihr Kreuz, wie um die
enorme Kraftanstrengung zu demonstrieren, die sie das Gehen kostete.
»Miranda, komm her und begleite Dona Alma auf
ihr Zimmer«, rief Vitória das Mädchen.
Miranda war inzwischen Vitórias rechte Hand im
Haushalt. Sie hatte zwar lange gebraucht, um bestimmte Dinge zu lernen, doch
allmählich zahlte sich Vitórias Geduld in der Einarbeitung der Sklavin aus.
Miranda hatte ein einnehmendes Äußeres, bewegte sich flink und unauffällig, und
sie verrichtete die meisten Aufgaben, ohne dass man sie extra daran erinnern
musste. Zwar überschlug sie sich nicht gerade vor Fleiß, und auch mit ihrer
Intelligenz war es nicht weit her, doch Vitória hatte das sichere Gefühl, dass
Miranda auf dem besten Weg war, eine zuverlässige, brauchbare Kraft zu werden.
Als Dona Alma den Raum verlassen hatte, sah Vitória
ihren Vater durchdringend an.
»Pai, ich bitte Sie so gut wie nie um etwas.
Aber bitte tun Sie mir diesen einen Gefallen. Es braucht ja keine Vorauszahlung
zu sein, nicht einmal ein Darlehen. Vielleicht stellen Sie mir einfach ein
wenig > Spielgeld < zur Verfügung, mit dem ich meine Pläne realisieren kann
– der Erlös würde selbstverständlich Ihnen gehören. Und nach Durchsicht unserer
diesjährigen Buchhaltung weiß ich, dass wir flüssig genug sind, dass Sie mir
... sagen wir zweihunderttausend Reis für dieses Spiel zur Verfügung stellen könnten.«
Vitória hielt die Luft an. Wenn ihr Vater sich
nur erweichen ließe! Sie könnte mit einer solchen Summe ein Vermögen machen,
wenn sie sie in chilenische Staatsanleihen oder in Aktien der englischen
Fleischverarbeitungsbetriebe anlegte. Es würde ihn nichts kosten, er würde
nicht einmal merken, dass dieses Kapital vorübergehend von Boavista abgezogen
war. Vitória kannte die Geschäfte der Fazenda gut genug, um zu wissen, dass ein
fantastisches Jahr hinter ihnen lag und dass größere Investitionen, etwa der
Erwerb weiterer Ländereien, nicht anstanden.
Eduardo da Silva
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