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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Stimme
weiter, »ich brauche Geld, um es in Aktien anzulegen. Eines Tages werdet ihr
mir alle dankbar dafür sein.«
    »Bitte, Vita, du überschätzt dich maßlos. Hast
du dir schon einmal überlegt, was passiert, wenn die Aktien fallen? Dann hast
du gar nichts mehr. Im Übrigen verstehe ich nicht, warum du nicht einfach
abwartest. Wenn der Fall eintreten sollte, den du heraufbeschwörst, wenn
wirklich die Sklaverei abgeschafft wird und wir deiner Meinung nach alle
ruiniert sind, was ich sehr stark anzweifle, dann kannst du den Schmuck doch
noch immer verkaufen. Warum jetzt?«
    »Erstens: Weil jetzt die Zeit günstig ist für Börsengeschäfte.
Zweitens: Wenn die Fazendeiros plötzlich verarmen und alle ihre Luxusgüter auf
den Markt werfen, wird deren Wert sinken. Man wird uns für unsere Gemälde,
Juwelen und Möbel nur noch einen Bruchteil dessen zahlen, was sie wert sind –
weil man um unsere Geldnot weiß. Und wer soll die ganzen Sachen kaufen? Die
befreiten Sklaven vielleicht? Heute aber kann ich für meinen Schmuck eine hübsche
Summe erzielen.«
    Eufrásia stand vor Vitória und fingerte nervös
an der Kamee herum, die sie am Hals trug. Schweigend drehte sie sich um und
ging langsam zum Fenster. Sie schob den Vorhang ein wenig zur Seite und sah auf
den Hof. An der frisch polierten grünen Kutsche war José gerade damit beschäftigt,
das lederne Verdeck einzufetten. Ein Dutzend Feldsklavinnen mit Körben auf dem
Kopf machte sich auf den Weg zu den Feldern. Ein junger Bursche goss die
Pflanzen in den Kübeln vor dem Haus, während ein Mädchen die Treppe fegte. Es
wackelte dabei mehr als nötig mit seinem prächtigen Hinterteil, sodass der
weite Leinenrock hin- und herschwang. Wahrscheinlich hatte das Mädchen ein Auge
auf den Burschen geworfen.
    Eine gepflegte Fazenda, gut genährte Sklaven in
sauberen Kleidern, geschäftiges Treiben – wie selbstverständlich war das alles
wirklich? Eufrásia wusste selbst am besten, wie schnell diese vermeintliche
Normalität aufgehoben sein konnte. Die schreckliche Zeit vor ihrer Hochzeit,
als sie auf Florenca darben mussten, hatte sie gelehrt, auch den profansten
Alltäglichkeiten mehr Bedeutung beizumessen. Viel schlimmer als der Verlust
ihres Porzellans war damals die Grabesstille gewesen, die sich über Florenca
gelegt hatte, weil keine Sklaven mehr da waren.
    Was, wenn Vitória mit ihren furchtbaren
Prophezeiungen Recht hatte? Würden auf sie alle dann wieder solche Zeiten
zukommen, wie sie, Eufrásia, sie bereits erlebt hatte? Bloß das nicht!
    »Vita, ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich
deine Ideen für Humbug halte. Aber da ich nun einmal deine beste Freundin bin,
werde ich dir diesen Gefallen ja wohl tun müssen. Ich finde allerdings, dass du
mir dafür etwas  schuldig bist, denn ich gehe ja selber ein großes Risiko
ein.«
    »Fünf Prozent?«, fragte Vitória in bissigem Ton.
Sie hatte gleich verstanden, dass Eufrásia sich nicht etwa umgekehrt einen
Gefallen ausbedungen hatte, sondern dass sie Geld wollte.
    »Zehn.«
    »Du bist unverschämt.«
    »Ach, und wie nennst du das, was du von mir
willst? Ist das etwa keine Unverschämtheit? Stell dir nur vor, der Pfandleiher
kommt auf die Idee, allen zu erzählen, dass ich meinen Schmuck versetze. Was würde
das für ein Licht auf Arnaldo und mich werfen?«
    »Sieben Prozent und keinen Vintém
mehr.«
    Nachdem die beiden Freundinnen handelseinig
geworden waren und Vitórias Arger über Eufrásias Gier verflogen war,
unterhielten sie sich über ein Thema, das noch viel weniger für die Ohren Dona
Almas oder der Sklaven geeignet war: die Freuden und Pflichten des Ehelebens.
Eufrásia sprach alle Dinge aus, die ihren Müttern als unaussprechlich galten,
und Vitória heuchelte Unwissenheit. Nie hatte sie Eufrásia von ihrer Nacht mit
León erzählt, geschweige denn von deren Folgen. Dieses Geheimnis teilte sie
allein mit Luiza, Zélia und Miranda. Eufrásia glaubte noch immer an Vitórias
Jungfräulichkeit, und in der Absicht, ihre Freundin in Verlegenheit zu bringen,
erzählte sie ihr jedes intime Detail ihrer ehelichen Pflichterfüllung. Vitória
gab Überraschung oder Entsetzen vor, je nachdem, welche Reaktion Eufrásia sich
erhoffte. Sie versuchte, an den richtigen Stellen zu erröten und an anderen
verschämt die Hand vor den Mund zu legen und zu hüsteln. Sie hatten Gespräche
dieser Art schon öfter geführt, denn Eufrásia genoss es, mit ihrem neuen Status
als Ehefrau vor Vitória aufzutrumpfen. Diesmal aber

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