Ana Veloso
erschien es Vitória, als
sei Eufrásias anfängliche Begeisterung für dieses Thema stark abgeflaut.
»Ihr seid noch keine zwei Jahre miteinander
verheiratet. Fängt Arnaldo schon an, dich zu langweilen?«
»O nein, keineswegs. Wir führen eine äußerst
harmonische Ehe. Es ist nur so, dass ich langsam zu der Überzeugung gelange,
dass diese paar Minuten unserer, ähm, Begegnungen die ganze Aufregung nicht
wert sind. Ich verstehe überhaupt nicht, warum alle so ein Geschrei um die
fleischliche Begierde machen.«
»Vorhin hast du aber noch ganz anders geklungen.«
»Ja, weil ich es mit deinen Augen betrachtet
habe. Ich habe mich daran erinnert, wie spannend ich das Ganze anfangs fand. Es
war alles so neu und irgendwie verrucht. Aber inzwischen kenne ich das ja
schon, und es ist immer dasselbe. Es ist ein ziemlich banaler Akt. Der Mann
legt sich auf dich, keucht und zappelt ein bisschen, entleert sich in dir und
fertig. Dann dreht er sich um und schnarcht. Für die Frau ist es weder
besonders schön noch besonders schlimm. Es ist öde.«
»Vielleicht macht ihr etwas falsch?«
»Unsinn. Wir machen alles richtig. Es gibt ja
nur eine Möglichkeit, es zu machen.«
Vitória dachte an die einzige Liebesnacht ihres
Lebens, die nun schon so lange zurücklag, ihr aber unvergesslich geblieben war.
Allein in dieser einen Nacht hatte sie erfahren, dass es mehr als eine Möglichkeit
der körperlichen Befriedigung gab, und in Leóns leidenschaftlichen Küssen und
Berührungen hatte die Verheißung unzähliger weiterer Möglichkeiten gelegen.
»Aber irgendetwas müsst ihr trotzdem falsch
machen, denn sonst wärst du doch schon längst in anderen Umständen ...«
Eufrásia kniff die Lippen zusammen. »Jetzt fang
du nicht auch damit an! Dona Iolanda piesackt mich beinahe täglich damit. Wenn
sie nicht bald einen Enkel bekommt, sagt sie, will sie mich zu einem Arzt
schicken und mich auf meine Fruchtbarkeit hin untersuchen lassen.«
»Und was, wenn er feststellt, dass du keine
Kinder bekommen kannst?«
»Das wird er nicht feststellen. Ich bin völlig
gesund. Bei Luciana Telles hat es auch drei Jahre gedauert, bis das erste Kind
kam – und dann kamen direkt hintereinander noch fünf davon!«
»Himmel, wie die Karnickel!«
»Vita!«, rief Eufrásia aus, lachte aber mit.
Zwei Wochen nach ihrer Unterhaltung musste Vitória
wieder an diese Worte denken. Ein Kurier hatte an der Hintertür geklingelt und
ein Päckchen für sie abgeliefert. Darin befanden sich ihre Juwelen sowie ein
Brief von Eufrásia.
Liebe Vita,
unsere kleine Transaktion kommt wohl nicht zu
Stande. Ich habe sämtliche Pfandleiher im Vale aufgesucht, doch keiner wollte
mir mehr als fünfzigtausend Reis für den Schmuck geben. Diese Wucherer und Betrüger!
Da du mir aufgetragen hattest, die Juwelen nicht unter zweihunderttausend Reis
loszuschlagen, muss ich sie dir nun leider wieder zurückschicken. Ich wäre ja
persönlich vorbeigekommen, doch andere Umstände zwingen mich, zu Hause zu
bleiben und mich zu schonen: Ja, Vita, es hat endlich geklappt! Stell dir vor,
ich werde endlich Mutter! Und du sollst natürlich die Patentante meines Sohnes
werden. Komm mich doch bald einmal besuchen, damit wir uns über geeignete Namen
Gedanken machen können. Bis dahin schicke ich dir viele Küsse.
Deine Eufrásia
Vitória gelang es nicht, aufrichtige Freude für
die lang ersehnte Schwangerschaft ihrer Freundin zu empfinden. Zu sehr ärgerte
sie sich darüber, dass man ihren Schmuck nicht mit einer angemessenen Summe
beleihen wollte und dass ihre Pläne mit einem Schlag zunichte gemacht worden
waren. Adieu Börse, adieu Aktienvermögen! Und adieu Zukunft. Was vor ihr lag,
erschien ihr düster und beängstigend. Sie würden verarmen. Arnaldo und Eufrásia
würden verarmen. Sie alle, die Kaffeebarone des Vale do Paraíba, würden vor dem
Nichts stehen. Eufrásia würde ein Kind nach dem anderen in die Welt setzen und
die Brut kaum ernähren können. Sie selber würde dahinwelken, ohne Mann und
kinderlos, und die plärrende Kinderschar von Eufrásia beaufsichtigen dürfen.
Vitória sah es ganz deutlich vor sich. Sie selbst, in ihrem letzten anständigen
Kleid, das schon von Motten zerfressen war, wie sie mit ihren rauen Händen und
schwarz umrandeten Fingernägeln die Gemüsebeete umgrub, um für die hungernden
Kinder eine letzte Kartoffel aufzutreiben. Eufrásia, die mit tiefen Falten und
dicker Taille ein Gör an ihre schlaffe Brust hielt, deren Milchstrom
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