Ana Veloso
Eltern mit einem so
dreisten Vorschlag zu kommen – immerhin hatten sie ihn ja zum letzten Mal
gesehen, als er auf dem Kostümfest mit ihr getanzt hatte. Es musste doch sogar
ihm klar sein, dass er sich damit alle Sympathien bei Dona Alma verscherzt
hatte, wenn schon nicht die ihres Vaters, der sich ja bereitwillig von Leóns
angeblichem Vermögen blenden ließ.
In ihrem Zimmer zog sich Vitória aus, legte
einen Bademantel über und beschloss, ein Bad zu nehmen. Sie klingelte nach
Miranda, trug dem Mädchen auf, ihr das Wasser einzulassen, und setzte sich, während
sie auf ihr Bad wartete, vor ihren Frisiertisch. Sie kämmte ihr Haar, das jetzt
wieder dicht und lockig und glänzend war. Sie forschte in ihrem Gesicht und auf
ihrem Dekolletee nach Pickeln, Hitzebläschen oder anderen Unebenheiten, fand
aber nichts als zarte, rosige, glatte Pfirsichhaut. Sie schob den Bademantel
ein Stück herunter, um die Schultern zu heben und zu senken und zu beobachten,
ob ihre Knochen dabei herausstaken wie bei einer dürren Ziege. Nein, ihr
Fleisch lag fest über dem Schlüsselbein. Sie ließ den Bademantel ein weiteres
Stück herabgleiten und begutachtete ihren Leib. Ihre Brüste waren weiß und
rund, wie sie sein mussten, und keine Sommersprosse verunzierte ihren Busen.
Ihr Bauch war stramm und fest, ihre Taille schlank wie eh und je, ihr
Bauchnabel ein kleiner, hübscher Schlitz. Ja, sie hatte damals die richtige
Entscheidung getroffen. Als Mutter eines unehelichen Kindes hätte sie jetzt
nicht nur ihr gutes Ansehen verloren, sondern auch ihr gutes Aussehen. Bei
einer Sklavin, die kürzlich erkrankt war und um die Vitória sich gekümmert
hatte, bevor der Arzt gekommen war, hatte sie gesehen, welche Verunstaltungen
die Mutterfreuden mit sich brachten. Auf dem Bauch der Schwarzen, auf dem sich
hässliche Streifen gebildet hatten und der irgendwie teigig wirkte, stand der
Nabel als dicker Knubbel hervor. Es war ein erschreckender Anblick, zumal die Frau
noch jung war. Himmel, in Wahrheit hatte sie sogar Glück gehabt, dass León sich
aus dem Staub gemacht hatte, sonst wäre sie jetzt seine Frau, ginge schon mit
dem dritten Kind schwanger und sähe ebenso abscheulich aus wie diese Sklavin!
Dabei hatte es lange genug gedauert, bis Vitória
ihre einstige Schönheit wiedererlangt hatte. Sie war so unendlich enttäuscht
gewesen, so unglücklich, dass ihr sämtlicher Lebensmut abhanden gekommen war.
Sie war abgemagert, ihr Haar war stumpf geworden, ihre Augen glanzlos. Sie
hatte nicht einmal mehr die Kraft besessen, wütend zu sein. Lustlos hatte sie
das getan, was von ihr erwartet wurde, war mechanisch ihren Pflichten
nachgekommen, hatte wie betäubt nach außen hin funktioniert, während sie
innerlich das Gefühl hatte, langsam abzusterben. Sie hatte Monate gebraucht,
bis sie nach Leóns armseligem Verschwinden ihr Leben hatte meistern können, und
noch länger, bis sie es wieder liebte. Und jetzt, da sie ihr inneres
Gleichgewicht so mühsam wiedererlangt hatte, kam León Castro des Wegs, als sei
nichts geschehen, eröffnete ihr, dass er sie heiraten würde, und brachte ihre
Balance mit einem einzigen Lächeln zum Einsturz. Warum musste er so unverschämt
gut aussehen? Warum musste er diese nonchalante Art besitzen, mit der er der
Welt zeigte, dass er sich nur nahm, was ihm zustand? Warum versuchte er
immerzu, seine eigene Zielstrebigkeit und Härte durch ein Augenzwinkern zu
entschärfen, bei dem sie dahinschmolz? Warum, warum, warum?!
In der Wanne regte Vitória sich ab. Das lauwarme
Wasser und die Rosenessenz lullten sie ein, gaben ihr ein wenig von ihrem
Gleichmut zurück. Sie schloss die Augen und gab sich Empfindungen hin, die sie
seit Leóns Fortgehen unterdrückt hatte. Sie spreizte ihre niedlichen Zehen, die
aus dem Wasser ragten, und betrachtete sie selbstverliebt. Er hatte daran
geknabbert, ihre Füße liebkost und geküsst, ihre Waden, ihre Schenkel ... und
sie hatte sich voller Wonne auf all seine Zärtlichkeiten eingelassen. Nie würde
sie vergessen, was seine Berührungen in ihr ausgelöst hatten – und nie würde
sie aufhören, sich danach zu sehnen.
Sie hatte sich oft gefragt, wie ihr Leben
verlaufen wäre, wenn in der unseligen Nacht nach dem Fest kein Gewittersturm
aufgezogen wäre, wenn sie nicht gezwungen gewesen wären, Schutz in der
verfallenen Hütte zu suchen. Was hätten sie eigentlich dort draußen getan,
mitten in den Kaffeefeldern? Nur glühende Worte und Küsse ausgetauscht? Wäre es
dabei
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