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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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geblieben? Und wäre León auch so unbeherrscht gewesen, wenn er nicht
vorher getrunken hätte? Ein Mann wie er musste doch wissen, was er anrichten
konnte, wenn er bei einer Frau lag – und Zélia hatte ihr erzählt, dass es
durchaus Wege gab, eine Schwangerschaft zu verhindern. Wie hatten sie sich nur
so gehen lassen können? Und warum überlief es sie noch immer heiß-kalt beim
Gedanken daran?
    Nein! Mit einem Satz sprang Vitória aus der
Wanne, setzte dabei das Bad unter Wasser und trocknete sich ab. Das Ganze
konnte ja nicht wieder von vorne beginnen, nur weil sie sich nach einer
Umarmung, einem Kuss sehnte. Das konnten ihr auch andere Männer geben. Sie würde
León nicht die Gelegenheit bieten, sie erneut so zu quälen, wie er es getan
hatte, nur weil ihr Fleisch so schwach war. Sie hatte es anderthalb Jahre ohne
seine Liebesbezeugungen ausgehalten, und sie würde auch weiterhin ohne sie
leben können. Vitória griff nach der Talkumdose, puderte sich von Kopf bis Fuß
ein, warf den Bademantel über und huschte in ihr Zimmer. Sie zog sich das
bravste Kleid an, das sie besaß, und flocht ihr Haar zu einem strengen Zopf.
Sie wusste jetzt, was zu tun war.
    Dona Alma lag matt in ihrem Lehnstuhl. Trotz der
schwülen Luft hatte sie sich eine Decke übergelegt.
    »Mãe, wie geht es Ihnen? Frieren Sie wieder?«
Vitória war ganz die liebevolle Tochter. Sie rückte sich einen Stuhl heran.
    »Lassen Sie mich Ihre Füße massieren, damit sie
ein wenig wärmer werden.« Vitória griff nach dem Fuß ihrer Mutter, streifte den
Hausschuh ab, bettete den Fuß auf ihren Schoß und begann ihn zu kneten. Er war
klitzeklein und eiskalt. Was das Gejammer und die Leidensmiene von Dona Alma in
vielen Jahren nicht geschafft hatten, gelang diesem kleinen Fuß in Sekunden:
Vitória empfand großes Mitleid mit ihrer Mutter.
    »Ah, tut das gut.« Dona Alma schloss genießerisch
die Augen. Sie öffnete sie erst wieder, als Vitórias Massage an Intensität
nachließ.
    »Du bist doch nicht nur gekommen, um deiner
armen alten Mutter etwas Wärme zu spenden?«
    »Nein.«
    Beide schwiegen einen Augenblick.
    »Ich ...«
    »Rede es dir von der Seele.«
    »Hat Papai schon mit Ihnen gesprochen, wegen des
Besuchs, den er heute Abend erwartet?«
    »Nein. Wer kommt denn?«
    »Er hat León Castro eingeladen.«
    »Nein!«
    »Doch. Aber das wäre ja nicht so schlimm. Er hat
ihn als einen potenziellen Heiratskandidaten für mich ins Auge gefasst.«
    »Ach, Vitória, das glaube ich nicht!«
    »Doch, das müssen Sie aber. Sicher kommt Papai
bald, um Ihnen zu erklären, wie er auf diese abwegige Idee gekommen ist. Ich möchte,
dass Sie mich darin unterstützen, ihn von seiner, ähm, geistigen Verwirrung in
dieser Angelegenheit zu befreien.«
    »Sprich nicht so über deinen Vater. Täusche
ich mich, oder warst bisher du es, die angesichts dieses Mannes geistig
verwirrt war?«
    »Ich gebe zu, dass ich ihn damals einigermaßen attraktiv fand.
Aber das ist lange her. Heute will ich mit ihm nichts mehr zu schaffen haben.
Ich finde ihn sogar abstoßend.«
    »Immerhin darin sind wir einer Meinung.«
    »Bitte, Mãe, helfen Sie mir, León Castro
loszuwerden.«
    Dona Alma sah ihre Tochter nachdenklich an. Wenn
ihr der Mann gleichgültig wäre, würde sie nicht so ein Aufhebens um ihn machen.
Sie würde ihn, wie sie es mit anderen Verehrern auch getan hatte, eiskalt
abblitzen lassen. Dafür brauchte sie nicht die Unterstützung ihrer Mutter,
diese Kunst beherrschte sie wie keine Zweite. Irgendetwas war da im Busch. Und
Dona Alma wollte unbedingt herausfinden, was. Es wäre bestimmt aufschlussreich,
León und Vita beim gemeinsamen Essen zu beobachten, obwohl es ihr, Dona Alma,
zutiefst widerstrebte, mit diesem Mann an einem Tisch zu sitzen.
    »Also gut. Allerdings fürchte ich, dass sich das
Essen nicht mehr umgehen lässt. Aber wir werden ihn ein bisschen in die Zange
nehmen, ja?«
    Vitória drückte ihrer Mutter zwei Küsse auf die
Wangen. »Sie sind ein Schatz, Mamãe!«
    Schließlich kam doch alles anders als geplant.
Vitória hatte sich mit viel Mühe in ein blutarmes Wesen verwandelt, blass,
bebrillt, schmucklos und in einem mehr als unscheinbaren Kleid. Kein Mann, der
bei Verstand war, würde sie attraktiv finden können. Doch León schienen ihre Maßnahmen
wenig zu beeindrucken. Als sie sich in der Halle begrüßten, argwöhnisch beäugt
von Dona Alma und Eduardo, war er ganz Kavalier.
    »Senhorita Vitória, Sie sehen bezaubernd aus.«
    »Wie freundlich Sie

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