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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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sind«, flötete Vitória.
    León reichte Vitória ein kleines Päckchen. »Ich
hoffe, dass mein kleines Geschenk Sie noch mehr zu erfreuen vermag als meine
Komplimente.«
    »Oh, Sie beschämen mich! Bitte gestatten Sie
mir, es erst später zu öffnen.« Sie legte das Päckchen beiseite und forderte León
auf, ihr in den Salon zu folgen. Es wurde ein Aperitif gereicht, dazu salziges
Gebäck. Sie plauderten über unverfängliche Themen wie den Zustand der Straßen
nach dem Regen, die Schwerfälligkeit der Bürokratie in diesem Land und das
neueste Lieblingsspielzeug reicher Exzentriker in der Hauptstadt, einen
Apparat, der Telefon genannt wurde.
    »Haben Sie schon einmal einen solchen Apparat
ausprobiert?«, fragte Dona Alma in ehrlichem Interesse.
    »Ja, es ist ganz und gar erstaunlich. Man hört
die Stimme eines Menschen, der viele hundert Meter weit entfernt ist, als stünde
er direkt neben einem. Ich glaube, dass diese Telefone uns eines Tages
unentbehrlich sein werden.«
    Erst jetzt ließ sich auch Vitória dazu herab, an
dem Gespräch teilzunehmen. »Sie könnten sogar Recht haben. Kein Mensch kann
dann mehr die Schuld auf die Langsamkeit der Post schieben – oder gar auf
verloren gegangene Briefe. Alles Dringliche kann an diesem Apparat besprochen
werden.«
    Miranda kam, um ihnen auszurichten, dass das
Essen fertig war. Als Vitórias Eltern ihnen voraus zum Esszimmer gingen, sah León
Vitória spöttisch an, zwinkerte ihr zu und berührte wie versehentlich ihre
Hand. Sie zuckte zusammen und nahm etwas mehr Abstand von ihm. Aber sie entkam
den ungewünschten Aufmerksamkeiten nicht. Als er den Stuhl für sie zurückschob,
streichelte er ihr, als sie Platz genommen hatte, ganz unauffällig über den
Nacken. Als er seine Serviette aufhob, die er, davon war Vitória
hundertprozentig überzeugt, in ebendieser Absicht fallen gelassen hatte, strich
er mit dem Zeigefinger zart über ihre Fesseln. Als sie ihm eine Schüssel
reichte, berührte er ihre Hand viel länger als nötig, und das vor den Augen
ihrer Eltern. Er war einfach schamlos!
    Er betrachtete das alles nur als Spiel, und Vitória
hatte nicht den geringsten Zweifel an der Unaufrichtigkeit seiner vorgeblichen
Heiratspläne. Er wollte sie verwirren, ihre Eltern demütigen, sich selber amüsieren,
sonst nichts. Und in der Wahl seiner Mittel war er dabei völlig skrupellos. Er
verwickelte Dona Alma in ein Gespräch über den Hof und kam dabei geschickt auf
seine angebliche Freundschaft mit Princesa Isabel zu sprechen. Er verstand es,
Eduardo von seiner Geschäftstüchtigkeit zu überzeugen, und genoss es sichtlich,
sich als ein Mann auszugeben, der er gar nicht war.
    Erst als Dona Alma ihn nach seiner Herkunft
fragte, ließ er sich kaum merklich aus der Fassung bringen.
    »Meine Eltern, José Castro e Lenha und Dona
Doralice, hatten eine Fazenda im Süden des Landes, gleich bei einem Dorf namens
Chuí an der uruguayischen Grenze. Heute hin ich rechtmäßiger Besitzer dieser Ländereien,
aber ich habe, weil ich mich wegen meiner vielen anderen Verpflichtungen nicht
selber um das Gut kümmern kann, einen Verwalter eingesetzt.«
    »Oh, heißt das, Ihre Eltern leben nicht mehr?«
    »Ja. Sie starben vor einigen Jahren – an Masern.«
    León bat seine Mutter im Stillen um Vergebung für
diese Lüge. Aber wie konnte er sich der Familie da Silva als möglicher Gemahl
    ihrer Tochter empfehlen, wenn ihm diese eine
Hauptqualifikation fehlte? Er war im besten Alter, um eine Familie zu gründen.
Er war wohlhabend. Er war berühmt und längst gesellschaftsfähig geworden. Er
sah passabel aus, war gesund, intelligent und genau der richtige Mann für Vita.
Selbst Dona Alma schien er schon auf seine Seite gezogen zu haben – die Frau
fraß ihm aus der Hand, seit er durch seine Verbindungen zur kaiserlichen
Familie in eine Art moralischen Adelsstand erhoben worden war.
    Aber in seinen Adern floss auch, obschon in
ziemlicher Verdünnung, Indio-Blut. Wenn Vita oder ihre Eltern das erfuhren, würde
man ihn in diesem Haus nie wieder empfangen. Es tat León in der Seele weh, doch
es ließ sich nicht vermeiden: Dona Doralice musste den jämmerlichen
Verleugnungstod sterben, um ihm den Weg in eine Zukunft mit Vita zu ebnen.

XVI
    São Luiz, die Fazenda der Familie Peixoto, lag
eine halbe Tagesreise per Kutsche entfernt von Boavista. Die Fahrt dorthin führte
über zugewucherte Lehmwege, die kaum noch als solche zu erkennen waren, durch
steinige Flussbetten sowie durch ein ausgedehntes

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