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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Waldstück, in dem die Natur
sich die freigeschlagene Schneise schneller zurückeroberte, als die Arbeiter sägen
konnten. Der Wald dämpfte die Geräusche, die ihr Gefährt machte, auf eine
Weise, die Vitória schaudern ließ. Oder lag es an dem Zwielicht, dem feinen
Nebel und dem modrigen Geruch, dass sie sich so verloren fühlte?
    »Bist du ganz sicher, dass das der richtige Weg
ist?« Vitória konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Bolo noch
hilfloser war als sie selber.
    »Aber ja, ganz bestimmt«, sagte der Junge in
selbstbewusstem Ton, der dem Ausdruck seiner Augen widersprach.
    Also schön, dachte Vitória. Irgendwann mussten
sie auch wieder aus dem Wald herauskommen, und dann würden sie sich sicher
besser orientieren können. Hätte sie vorher gewusst, wie beschwerlich die Reise
zu Eufrásias neuem Heim war, würde sie sie kaum unternommen haben. Aber nun lag
bereits eine dreistündige Fahrt hinter ihnen, und das letzte Stück würden sie
auch noch bewältigen.
    Direkt über ihnen stieß ein Vogel einen so
lauten, schrillen Ruf aus, dass Bolo die Zügel losließ und sich vor Schreck
bekreuzigte. »Soll lieber ich lenken, damit du in Ruhe beten kannst?!«
    Bolo schüttelte den Kopf, streckte seinen Rücken
und legte sämtlichen Stolz, der ihm zur Verfügung stand, in diese Pose. Wäre
die Situation weniger unheimlich gewesen, hätte Vitória über die Reaktion des
Burschen schmunzeln müssen. So aber fand sie gar nichts Komisches daran, sich
allein mit einem halbwüchsigen, abergläubischen und im Notfall wahrscheinlich
eher hinderlichen Sklaven durch das Dickicht zu schlagen. Resigniert schloss
sie die Augen. Da sie in diesem Fall auch nicht schlauer war als Bolo, konnte
sie sich ebenso gut zurücklehnen und darauf hoffen, dass sie bald diesen
vermaledeiten Wald mit seinen Schwärmen von Stechmücken hinter sich ließen.
    Es war mehrere Wochen her, dass sie Eufrásia
getroffen hatte. Danach hatten sie nur noch schriftlich miteinander
kommuniziert. Doch diese Angelegenheit bedurfte eines persönlichen Gesprächs,
und wenngleich Vitória wusste, dass ihre Freundin wahrscheinlich keine gute
Beraterin war, so hatte sie doch das dringende Bedürfnis, sich mit ihr
auszutauschen. Mit wem sonst? Vitórias Eltern hatten sich zu sehr von León
vereinnahmen lassen, als dass ein sachliches Gespräch mit ihnen noch möglich
gewesen wäre. Pedro wiederum war ein Freund Leóns und darum ebenfalls
voreingenommen. Und Joana war schon lange so fest davon überzeugt, dass León
und Vitória füreinander bestimmt waren, dass es müßig wäre, sich überhaupt mit
ihr über das Thema zu unterhalten. Von allen Menschen, die Vitória nahe
standen, wäre einzig Eufrásia in der Lage, ihr Dilemma nachzuvollziehen. In all
ihrer Borniertheit und Oberflächlichkeit hatte Eufrásia doch immer einen
bemerkenswerten Scharfblick gehabt, wenn es darum ging, ein vorteilhaftes Geschäft
abzuschließen. Und genau das wäre eine Ehe mit León. Oder nicht?
    Durch die geschlossenen Lider merkte Vitória,
dass es heller wurde. Im selben Moment rief Bolo erleichtert: »Wir haben es
geschafft!«
    Tatsächlich war es längst nicht geschafft, aber
immerhin hatten sie sich nicht verfahren. Die Strecke, die noch vor ihnen lag,
war jetzt gut passierbar. Die Orientierung war anhand der Wegbeschreibung, die
Eufrásia ihr geschickt hatte, leicht. Die angegebenen Höfe, Bäche und Hügel
waren gut auszumachen, und nach einer weiteren Stunde erreichten sie endlich São
Luiz.
    Die Fazenda lag wunderschön auf einer Anhöhe, von
der man einen herrlichen Rundumblick über die sattgrüne, sanft gewellte
Landschaft hatte. Das Herrenhaus war kleiner als die casa grande von
Boavista, wirkte dafür aber mit seinem roséfarbenen Anstrich und den weiß
abgesetzten Schmuckreliefs sehr viel eleganter. Soweit Vitória es auf den
ersten Blick erkennen konnte, war alles in tadellosem Zustand. Der Kiesweg war
geharkt, die Königspalmen frisch beschnitten, die Blumenbeete vor dem Haus
akkurat angelegt. Das Einzige, was ungepflegt wirkte, war ihre eigene Kutsche,
dachte Vitória, als sie ausstieg und die Schmutzklumpen an den Türen sah. Aber
das war man hier wahrscheinlich gewohnt, schließlich mussten alle Besucher
diese unwegsame Strecke zurücklegen.
    »Vita! Wie schön, dass du da bist! War die Fahrt
sehr schlimm?«
    »Das kann man wohl sagen! Warum hast du mich nicht gewarnt?«
    »Wärst
du dann gekommen?« Eufrásia setzte ein neckisches Lächeln auf, mit dem

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