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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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sie
Gerissenheit demonstrieren und zugleich unschuldig wirken wollte. Das Ergebnis
gefiel Vitória ganz und gar nicht. Vielleicht war es doch nicht so klug
gewesen, hierher zu kommen?
    »Ach, Vita, wie sehr ich dich vermisst habe! Du
musst mir alles genauestens berichten. Hast du etwas von Florinda gehört? Hat
sie sich inzwischen einen Mann geangelt? Was macht dein hübscher Rogério – hat
er endlich von dir abgelassen? Und was gibt es Neues von der fruchtbaren Isabel
und ihrem untreuen Rubem? Lass kein Detail aus, ich will alles wissen, jede
Kleinigkeit!«
    »Eufrásia, würdest du mich jetzt erst einmal
hineinbitten, mir etwas zu trinken anbieten und mir erlauben, mich umzuziehen?«
»0 Gott, Vita, verzeih! Aber ich bin hier so abgeschnitten von der Außenwelt,
dass ich in meiner Gier nach Klatsch all meine Manieren vergessen habe.«
    Nachdem Vitória sich erfrischt hatte, fühlte sie
sich einigermaßen gewappnet für Eufrásias Verhör. Aber sie hatte nicht mit der
Gegenwart der angeheirateten Verwandtschaft ihrer Freundin gerechnet.
    »Vitória, wie nett, Sie bei uns zu haben!«, rief
Dona Iolanda aus. Vitória war Eufrásias Schwiegermutter erst einmal zuvor
begegnet, bei einem der Feste, die die Teixeiras alljährlich im Mai
veranstalteten. Sie hatte die Frau größer in Erinnerung, und hübscher. Jetzt
sah sie sich einer Senhora gegenüber, die von eher kleiner Gestalt und von
unscheinbarem Äußeren war.
    »Ja, ich freue mich auch, dass mir der Besuch
endlich einmal möglich war.« Vitória hauchte Dona Iolanda zwei angedeutete Küsschen
auf die Wangen. »Es ist immer so viel zu tun auf Boavista, da bleibt viel zu
wenig Zeit für so angenehme Ausflüge.«
    »Nehmen Sie einen Kaffee?«
    »Ja, gern.«
    »Zuca, bring uns zwei Tassen Kaffee und für Sinhá
Eufrásia, wie üblich, einen Tee«, befahl Dona Iolanda der Schwarzen, die die
ganze Zeit schweigend in der Tür zum Salon gestanden hatte. Eufrásia blickte
aufmüpfig, wagte aber nicht, sich ihrer Schwiegermutter zu widersetzen. Seit
sie in anderen Umständen war, war sie nicht mehr Herrin ihres eigenen Körpers.
Ihre Mahlzeiten wurden nach einem Plan zusammengestellt, den der Arzt
ausgearbeitet hatte und der Eufrásia sämtliche Freude am Essen nahm. Zu viel
Zucker war verboten, ebenso wie rotes Fleisch, rohes Gemüse oder stark Gewürztes,
von Kaffee und Alkohol ganz zu schweigen. Einmal pro Woche musste sie sich
untersuchen lassen, und das Ergebnis wurde nicht zuerst ihr, sondern Dona
Iolanda und Arnaldo mitgeteilt.
    »Mein Sohn und mein Mann«, damit wandte sich
Dona Iolanda wieder an Vitória, »werden erst heute Abend zu uns stoßen. Sie
sind in dringenden geschäftlichen Angelegenheiten unterwegs.«
    »Ach, wie schade.«
Vitória gelang es nicht, die angemessene Enttäuschung in ihre Stimme zu legen.
    »Ja. Andererseits haben wir so genügend Zeit,
uns unter vier Augen zu unterhalten«, warf Eufrásia mit einem bösen Blick zu
ihrer Schwiegermutter ein.
    Doch Dona Iolanda hatte vorerst nicht vor, die
beiden Freundinnen allein zu lassen. Wahrscheinlich dürstete es auch sie nach
Neuigkeiten, dachte Vitória. Es dürften sich immerhin nicht allzu viele
Besucher nach São Luiz verirren. Oder wollte sie nur sichergehen, dass die
werdende Mutter ihres Enkels sich und die kostbare Brut keinem schädigenden
Einfluss aussetzte? Himmel, was für eine Strafe! Selbst Eufrásia hatte es nicht
verdient, so entmündigt zu werden.
    Vitória fügte sich in ihr Schicksal und erzählte
den beiden Frauen alle Neuigkeiten, die sie hören wollten. Sie konnte es sich
allerdings nicht verkneifen, mit den langweiligsten und belanglosesten
Geschichten anzufangen. Sie berichtete von der Seuche, die die Zahl der
Schweine der Barbosas um mehr als die Hälfte dezimiert hatte, und von dem
Stipendium, das Florindas Bruder am Konservatorium ergattert hatte. Sie ließ
sich in epischer Breite über die Erweiterung des Krankenhauses in Vassouras
sowie die Spendenaktionen der Senhoras aus, und sie freute sich dabei diebisch über
die langen Gesichter von Eufrásia und Dona Iolanda.
    »Jetzt spann uns nicht länger auf die Folter,
Vita. Erzähl von Rubem Araújo. Das Gerücht, er sei Stammgast in einem Hurenhaus
in Valença, ist sogar bis hierher vorgedrungen.«
    Dona Iolanda warf ihrer Schwiegertochter einen
vernichtenden Blick zu, unterbrach sie aber nicht. Wahrscheinlich war sie
insgeheim froh, dass Eufrásia die Rede auf dieses ebenso delikate wie
aufregende Thema gebracht hatte,

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