Ana Veloso
mehr schadet. Seitdem halte ich einfach den Mund – was unserer Ehe
durchaus gut bekommt. Arnaldo ist Wachs in meinen Händen.«
»Arnaldo ist Wachs in jedermanns Händen.« Die
Bemerkung war Vitória herausgerutscht, bevor sie über die Konsequenzen
nachgedacht hatte. Doch Eufrásia nahm sie mit Gelassenheit auf.
»Mag sein. Ja, du hast Recht, er ist nicht
gerade ein Ausbund an Charakterfestigkeit und Willensstärke. Aber er ist reich.
Er bietet mir jeden Komfort, den ich in den letzten Monaten auf Florenca
vermissen musste, und ganz ehrlich, allein das ist es wert, sich im Gegenzug
von Dona Iolanda schikanieren lassen zu müssen. Eines Tages, eines nicht mehr
allzu fernen Tages, denn Otávio Peixoto ist alt und hat ein schwaches Herz,
wird Arnaldo der Herr auf São Luiz sein. Und dann, meine Liebe, übernehme ich
hier das Zepter, das kannst du mir glauben.«
Vitória glaubte es. Vor ihrem geistigen Auge sah
sie genau, wie Eufrásia sich aufspielte, wie sie die Sklaven herumkommandierte,
wie sie Dona Iolanda drangsalierte und wie sie an ihren eigenen Kindern
dieselben Fehler begehen würde, die Dona Iolanda an ihrem Arnaldo begangen
hatte. Sie sah ebenfalls eine Frau in mittleren Jahren, deren Mundwinkel nach
unten hingen, in deren Stirn sich tiefe Falten gebildet hatten, die
Freudlosigkeit und Engstirnigkeit ausstrahlte.
»Im Übrigen«, fuhr Eufrásia fort, »muss ich Dona
Iolanda zumindest in einem Punkt zustimmen: Alles ist besser, als eine alte
Jungfer zu werden.« Sie genoss es sichtlich, ihren einzigen Trumpf
auszuspielen. Sie war vielleicht nicht so hübsch, nicht so klug und nicht so
wohlhabend wie Vitória. Aber sie hatte einen Mann.
»Ich weiß gar nicht, was ihr euch alle so habt.
Ich bin zwanzig Jahre alt und habe an jedem Finger zehn Verehrer. Das ist
eigentlich ein ziemlich angenehmer Zustand. Warum sollte ich jetzt heiraten?«
»Damit du endlich machen kannst, was du willst.«
»So wie du?«
»Herrgott noch mal, Vita, musst du auch noch
Salz in meine Wunden streuen?! Aber wenn du so willst: Ja, so wie ich.
Irgendwann einmal habe ich alle Freiheiten, von denen ich träume.« Eufrásia
beugte sich schwerfällig nach vorn, als habe sie bereits einen dicken Bauch,
dabei war nicht das Geringste zu sehen. Sie nahm die Kaffeekanne, die auf einem
Stövchen in der Mitte des Beistelltisches stand, und goss Kaffee in ihre leere
Teetasse. Dazu gab sie zwei gehäufte Teelöffel Zucker. Während sie umrührte,
setzte sie ihre Aufzählung der Vorteile einer Ehe fort. »Außerdem wirst du als
verheiratete Frau die Freuden der körperlichen Liebe kennen lernen.«
»Dafür braucht man ja nicht unbedingt einen
Ehemann.«
»Vita! Woher nimmst du nur diese Ideen? Natürlich braucht man dazu
einen Ehemann. Oder willst du etwa uneheliche Kinder bekommen?«
»Ich will überhaupt keine Kinder bekommen.«
»Sag mal: Ist mit dir alles in Ordnung? Du bist
gar nicht wiederzuerkennen. Früher wolltest du einen Mann und Kinder, so wie
jede normale Frau.«
»Mach dir keine Gedanken um mich, Eufrásia. Mit
mir stimmt alles. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, zu heiraten.«
»Aber hast du mir nicht gerade erzählt, dass du
...«
»Falsch. Ich habe nur die Frage in den Raum
gestellt, warum ich heiraten sollte. Ich hatte gehofft, von dir eine vernünftige
Antwort zu erhalten.«
»Sag bloß, Rogério hat erneut um deine Hand
angehalten?«
»Nein. Aber León Castro hat es getan.«
Eufrásia verschluckte sich fast an ihrem Kaffee.
»Dass er sich überhaupt bei deinen Eltern Gehör verschaffen konnte ...«
»Mehr als das. Meine Eltern sind ganz begeistert
von ihm.«
»Ach, Vita, du nimmst mich auf den Arm, oder?«
»Nein. Ich wünschte, es wäre so.«
»Aber Dona Alma muss den Mann doch verabscheuen.
Seine Ansichten, sein Auftreten, sein Beruf – in allem ist er das genaue
Gegenteil dessen, was sich eine Dame der gehobenen Gesellschaft für ihre
Tochter wünscht.«
Diesmal nahm sich Vitória einen Kaffee, bevor
sie weitersprach. Eufrásia hatte vergessen, auch ihre Tasse aufzufüllen.
»Seit León aus Europa zurück ist, hat sich
einiges geändert. Inzwischen ist er zu Ruhm und Ansehen gelangt, und er wird
regelmäßig von Prinzessin Isabel eingeladen. Das hat meine Mutter natürlich
tief beeindruckt. Zudem scheint er nicht ganz so mittellos zu sein, wie wir
alle immer geglaubt haben. Er besitzt zwei Fazendas. Nein«, betonte Vitória,
als sie Eufrásias zynisches Lächeln sah, »es sind
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