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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Räume im
Parterre bewohnte, hatte schon allzu lange nach einem Käufer gesucht.
    »Es ist ein gutes Haus. Die Bausubstanz ist in
Ordnung. Die Mauern sind viel dicker als die der Häuser, die zurzeit gebaut
werden, sie halten im Sommer die Hitze draußen und im Winter die Wärme drinnen.
Das Parkett«, dabei klopfte die alte Dame mit ihrer Krücke vehement auf den
Boden, »ist vom Feinsten. Es wurde von Auguste Perrotin höchstpersönlich
verlegt, und es hält noch mindestens hundert Jahre. Aber alle Interessenten
lassen sich von Lappalien abschrecken.«
    »Wie etwa die verrotteten Fenster und Türen? Die
morsche Treppe? Die verwahrloste Küche? Oder die antiquierten sanitären
Anlagen?«, unterbrach León die Lobeshymnen der Frau auf das Haus.
    Als wolle er Leóns Aussage bekräftigen, sprang Sábado
aufgeregt bellend um einen breiten Spalt in der Fußleiste herum. Sicher hatte
er eine Maus entdeckt. Vitória unterdrückte hinter vorgehaltener Hand ein
Kichern.
    »Aber mein lieber Senhor Castro«, sagte Dona
Almira mit bewundernswerter Haltung, »das sind nur Kleinigkeiten, das lässt
sich doch alles ohne großen Aufwand sanieren.«
    León war anderer Meinung. Doch er brachte es
nicht übers Herz, Vitórias ungewohnten – und bezaubernden – Anflug von
Fantasterei schon so schnell mit logischen Argumenten zu beenden. Wie Vitas
Augen leuchteten! Einen solchen Ausdruck von Unternehmungslust, von
Begeisterung hatte er bei ihr nicht mehr gesehen, seit ... ja, seit wann
eigentlich? Seit der Zeit, musste León mit Schrecken erkennen, als sie einander
begegnet waren. Nach seiner Europareise war Vita eine andere gewesen, doch er hatte
die Veränderung nicht wahrhaben wollen. Erst jetzt, da sie wieder genauso
aussah wie als 18-Jährige, die glaubte, dass ihr die Welt gehört, merkte León,
was ihm gefehlt hatte.
    »Ich fürchte, mein Mann hat Recht, verehrte Dona
Almira. Das Haus ist wahrscheinlich für unsere Zwecke nicht so geeignet, wie
ich anfangs dachte. Aber wir werden darüber nachdenken, nicht wahr, mein
Lieber?« Vitória zwinkerte León zu, der mit einem bedächtigen Nicken reagierte.
    »Ja, wir werden noch Ende dieser Woche mit Ihnen
Kontakt aufnehmen und Ihnen unsere Entscheidung mitteilen.«
    »... die ein weiterer Preisnachlass
wahrscheinlich positiv beeinflussen könnte.« Vitória hakte sich bei León unter
und warf der Hausbesitzerin ein verständnisheischendes Lächeln zu, aus dem Bedauern
und Enttäuschung sprachen.
    Was für eine gute Schauspielerin Vita doch war!
León wusste genau, dass ihr das Haus gefiel, und mit derselben Deutlichkeit war
ihm bewusst, dass Vita ihn dazu überreden würde, es zu kaufen.
    Sie bedankten sich übertrieben höflich bei der
Frau, verabschiedeten sich wortreich und fuhren weiter. Bereits an der nächsten
Straßenecke platzte Vitória heraus: »Ich will es!«
    »Ach?«
    »León, dieses Haus ist ein Juwel! Hast du die
Stuckarbeiten an der Decke und an den Wänden gesehen? Hast du die Marmorböden
bemerkt, die sich unter den schäbigen Teppichen und dicken Schichten von
Schmutz verbergen? Hast du die hübschen Bleiglasmotive in den Fenstern
entdeckt?«
    Nein, musste León sich eingestehen, all diese
Details waren ihm entgangen. Aber ihm gefiel der Eifer, mit dem Vitória ihm das
Haus schönzureden versuchte. Ihre Hand lag auf seinem Unterarm, als könne der
Hautkontakt ihre Argumente verbessern. In Wahrheit lenkte er ihn nur ab. Wie süß
ihre kleine weiße Hand auf seinem braun gebrannten Arm aussah! Und wie zart sie
sich anfühlte, kaum zu glauben, dass ihn eine so leichte und kühle Berührung
derart zu elektrisieren vermochte!
    Als habe Vitória seine Gedanken gelesen, nahm
sie ihre Hand fort und rückte ein wenig von León ab. »Ich hätte wissen müssen,
dass du keinen Sinn für diese Dinge hast.«
    »Vita, wenn du dieses Haus unbedingt willst,
werden wir es kaufen. Ich würde mit dir in jeden Palast und auch in jede Hütte
dieser Welt ziehen, solange du dich dort wohl fühlst.«
    Vitória war so überrascht von dieser
unerwarteten Liebeserklärung, dass sie León umarmte und ihm einen Kuss auf die
Wange drückte. Doch als sie sich wieder zurückziehen wollte, hielt er sie an
den Schultern fest, zog sie enger an sich heran und sah ihr tief in die Augen.
Seine Lippen näherten sich den ihren, die sich in Erwartung seines Kusses
teilten.
    Vitória verstand sich selbst nicht mehr. Sie
hatte sich doch vorgenommen, León die kalte Schulter zu zeigen, als er

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