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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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ankam. Ein
Fest in einem Haus zu geben, sogar Gäste über Nacht dorthin einzuladen, wenn
man selber noch nicht eingezogen war, das erschien ihm als der Gipfel der Anmaßung.
Er war alles andere als abergläubisch, aber Vita forderte das Schicksal seiner
Meinung nach ein bisschen zu laut heraus. Was, wenn während des Tanzes der
Boden unter ihnen nachgab, weil der Kleber an den ausgebesserten Stellen des
Parketts noch nicht ganz trocken war? Was, wenn die neuen Tapeten im »Herrenzimmer«,
so nannte Vita prätentiös den kleinen Salon, sich wellten und lösten, weil
ihnen der dichte Qualm nicht bekam, den die Männer mit ihren Zigarren
zweifellos produzieren würden? Und was, wenn ihn jemand nach dem Weg zum
Waschraum fragte und er nicht antworten konnte, weil er sein eigenes Haus noch
nicht kannte? Andererseits: Dieser Spaß war es allemal wert. Was konnte schon
Schlimmeres passieren, als dass sie notfalls mitsamt allen Gästen ins Hotel de
France umziehen mussten, das über eine ausgezeichnete Küche und viele
ordentliche Gästezimmer verfügte? Welcher Mann in Rio de Janeiro, ja in ganz
Brasilien, konnte sich schon mit einer solchen »Prüfung« schmücken wie er?
Vita, die den Wirbel der vergangenen Wochen genossen hatte, war unter dem
Erfolgsdruck förmlich aufgeblüht. Ihre Wangen waren rosig, ihre Augen glänzten,
und sie wirkte keineswegs erschöpft oder mitgenommen von dem Gewaltakt, den sie
hinter sich hatte. Die Anstrengungen schienen sie vielmehr angeregt zu haben.
Vita wäre, selbst wenn das atemberaubende Kleid, das sie für den großen Abend
anfertigen ließ, nicht rechtzeitig fertig werden würde, die mit Abstand schönste
Frau weit und breit.
    Vitória war selber erstaunt, mit welcher
Selbstsicherheit und inneren Ruhe sie dem Fest entgegensah. Das Haus war jede
Sekunde, die sie in es investiert hatte, wert gewesen. Jedes Mal, wenn sie
morgens hier angekommen war, hatte sie jenen Tag vor Augen gehabt, an dem all
ihre Pläne, Visionen, Ideen Gestalt angenommen haben würden und sie endlich
einziehen konnten. Dieser Tag war nun gekommen. Als ihre Kutsche vor dem Haus
hielt, stockte selbst ihr der Atem. Was für ein wunderschönes Anwesen! Die
Fassade des Hauses war hellblau gestrichen, die Fensterrahmen, Balustraden und
Zierelemente cremeweiß abgesetzt. Die Auffahrt, vorher nur ein steiniger
Lehmweg, war nun mit weißem Kies bedeckt, und der Vorgarten, bis vor ein paar
Wochen noch ein einziges wildes Gestrüpp, war jetzt eine elegante kreisrunde
Oase inmitten der Auffahrt, aus der sich drei prächtige Königspalmen erhoben
und in der ein kleiner Springbrunnen fröhlich vor sich hin plätscherte. Rechts
und links der halbrunden marmornen Treppenstufen, die zur Haustür führten,
hielten zwei bronzene Mauren Wache. Sie waren lebensgroß und trugen herrlich
gearbeitete Gaslampen, die nach Vitórias Anweisung die ganze Nacht hindurch
brennen sollten. Ihr neues Zuhause war das eleganteste Haus in Glória, und Vitória
war bestimmt die stolzeste Hausherrin, die Rio je gesehen hatte. Es war ein
unvergleichliches, erhebendes Gefühl, das eigene Heim zu betreten, nicht das
der Eltern, des Ehemannes oder des Bruders. Dieses Haus war ihres, trug ihre
Handschrift, unterlag ihrer Verantwortung – auch wenn León den überwiegenden
Teil der astronomischen Kosten der Renovierung getragen hatte.
    Die Sklaven von Boavista waren am Vortag
angekommen und hatten direkt ihre neuen Quartiere bezogen, in denen die Farbe
an den Wänden noch feucht war. Dennoch zeigten sie sich dankbar, so hübsche
Kammern zugewiesen zu bekommen.
    »Freut euch nicht zu früh«, hatte Vitória die
Schwarzen ermahnt, insgeheim betrübt darüber, ihnen die Freude verderben zu müssen.
»In den nächsten Tagen werdet ihr euch nicht viel in euern Zimmern aufhalten können.«
Die Vorbereitungen für das Fest, die Feier selbst und die anschließenden Aufräumarbeiten
würden den Dienstboten das Äußerste abverlangen. Genau wie ihr selber. Denn von
den neuen Leuten kannte sie keinen gut genug, um ihn mit wirklich verantwortungsvollen
Aufgaben zu betrauen – sie würde permanent hinter ihnen her sein müssen, um
jeden ihrer Handgriffe zu kontrollieren. Nur aus Zeitmangel hatte sie es Taís,
dem fähigsten von Leóns Dienstmädchen, überlassen, die neuen Sklaven
einzuweisen.
    Jetzt, da sie bewundernd vor ihrem eigenen Haus
stand, war sie gespannt darauf, wie viele der ihnen aufgetragenen Arbeiten die
Schwarzen erledigt haben mochten. Sie erwartete

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