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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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zwischen
Wirten und Zechprellern, denn auf die Justiz in diesem Land mochte sich keiner
der Bewohner des Armenviertels verlassen. Solange die Kinder in der Stadt ihr
Unwesen trieben, konnte man ja noch tatenlos zusehen. Aber wenn sie jetzt schon
die eigenen Leute bestahlen, dann musste dringend etwas unternommen werden.
    Fernanda hatte den kleinen Aufstand auf der Straße
ebenfalls gehört. Sie hatte am Fenster gestanden und alles beobachtet. Beinahe
hätte sie Félix' beeindruckender Darbietung applaudiert. Wie er mit seinem
drahtigen Körper in einem einzigen geschmeidigen Satz die Missetäter
ausgeschaltet hatte! Ihr Félix!
    Bevor er sie am Fenster sehen konnte, schloss
sie wieder die Läden. Sie wollte sich noch ein wenig hinlegen, letzte Nacht war
sie erst spät heimgekommen. Doch ein Laden quietschte, als sie ihn zuzog, und
durch den sich verkleinernden Spalt sah sie noch, wie Félix zu ihr herüberschaute.
    Als die Messe zu Ende war, stand die Sonne schon
hoch am Himmel. In dem Pulk, der sich von der Kirche langsam den Hang
heraufrollte, rempelte Félix unsanft die Leute an, um zu Fernanda
durchzukommen. Er hatte ihren Fensterladen genau gehört, dessen kreischendes
Knarzen unverwechselbar war, weil es durch Mark und Bein ging. Sie musste ihn
einfach gesehen haben! Die ganze Messe hindurch hatte er an nichts anderes
gedacht, sogar während der Predigt hatte er still den lieben Gott mit seinem
unchristlichen Gebet belästigt: »Bitte, Herr im Himmel, lass sie mich gesehen
haben!«
    Félix schubste ein Mädchen beiseite, das
Fernanda mit irgendeiner blödsinnigen Frage zu der Predigt in Beschlag genommen
hatte. Flávia, so hieß die Kleine, hing immerzu an Fernandas Rockzipfel, löcherte
sie mit Fragen und machte ständig altkluge Bemerkungen, mit denen sie jedem außer
Fernanda auf die Nerven ging. Félix hatte nicht die geringsten Hemmungen, die Göre
zu verscheuchen.
    »Ah, heute scheinst du wild entschlossen, den
Kinderschreck zu markieren, was?« Fernanda sah ihn spöttisch an.
    »So etwas darf er nicht tun, nicht wahr, professora?«, quengelte das Kind, in der Annahme, Fernanda verteidige es.
    »Nein, Flávia, es war unhöflich von ihm. Aber du
darfst auch nicht die Gespräche von Erwachsenen belauschen, nicht wahr?«, sagte
Fernanda mit ihrer strengsten Lehrerinnenstimme.
    Geknickt, mit Tränen in den Augen und hängendem
Kopf, ging das Mädchen weiter neben den beiden her. Félix machte eine
ungeduldige Handbewegung, als wolle er eine Fliege beiseite wedeln, bis Flávia
endlich verstand, aufschluchzte und davonlief.
    Félix strahlte Fernanda an. Sie hatte es
also gesehen! Félix beschleunigte seinen Schritt und bedeutete Fernanda, ihm zu
folgen. Er wollte nicht inmitten all dieser Leute seine Heldentat nachspielen
und sich dafür auslachen lassen müssen. Er hatte es jetzt eilig, nach Hause zu
kommen, um seine Tafel zu holen. In die Kirche oder zu Erledigungen im Viertel
nahm er sie nie mit, weil sie völlig nutzlos war, wenn kaum jemand lesen und
schreiben konnte. Aber für die Unterhaltungen mit Fernanda war die Tafel von
unschätzbarem Wert, denn sie erlaubte ihm Dinge zu erklären, für die es keine
Gesten gab.
    »Bitte, Félix, du solltest dich jetzt sehen! Wie
ein aufgeplusterter Pfau siehst du aus.« Fernanda verzog die Lippen zu einem
verkniffenen Lächeln, das, als sie weitersprach, ohne ihr Wollen immer offener
und breiter wurde. »Na ja, ich gebe zu, dass deine Zirkusnummer nicht schlecht
war.« Wie bedauerlich, dachte sie, dass er nicht am Vorabend ähnlich viel
Geistesgegenwart bewiesen und sie zum Tanz aufgefordert hatte. Dass das einen
jungen Mann ungleich viel mehr Mut und Überwindung kostete, als ein paar
Halbstarke in die Flucht zu schlagen, kam Fernanda nicht in den Sinn.
    Außer Atem langten sie bei Félix' Hütte an. Er
lief schnell hinein und holte seine Tafel sowie eine Hand voll Cajú-Nüsse, von
denen er wusste, dass Fernanda sie liebte. Gemütlich kauend gingen sie die
letzten Meter zu Fernandas Haus – Fernanda hatte ihr Gehalt in ein dichtes
Dach, in Fensterläden, eine richtige, verschließbare Tür sowie einen kleinen
Garten investiert und sich so ein Zuhause geschaffen, das kaum mehr »Hütte«
genannt werden konnte. Die meisten Nüsse aß Félix, aber er nahm sich vor, ihr
bei nächster Gelegenheit mehr davon vorbeizubringen.
    In ihrem Häuschen angekommen, setzte Fernanda
erst einmal Wasser für den Kaffee auf, nahm die zerbeulte blecherne Bratpfanne
von dem Haken in

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