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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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ihre
Hochzeitsreise zum nunmehr dritten Mal abgesagt hatte. Stattdessen zeigte sie
ihm, wie sehr sie sich nach seinem Kuss sehnte! Ach, was machte es schon, wenn
sie ein einziges Mal inkonsequent war? Der Tag war sonnig, und die Perspektive,
bald ein eigenes Haus zu besitzen, hellte ihr Gemüt zusätzlich auf. Warum
sollte sie sich nicht von der Stimmung mitreißen und sich von dem schönen Mann
an ihrer Seite küssen lassen? Er war zwar ein Schuft, aber auch ihr Ehemann,
und er kam ihr heute begehrenswerter denn je vor. Hatte er immer schon diese
kleinen bernsteinfarbenen Sprenkel in seinen dunkelbraunen Augen gehabt, die
sie unter den langen Wimpern anblitzten? Hatte er schon immer diese Sehnen in
der Rundung zwischen seinem Hals und den muskulösen Schultern gehabt, die wie
geschaffen dazu war, den Kopf darein zu versenken? Und hatte er schon immer
diese Grübchen in seinen glatt rasierten, bläulich schimmernden Wangen gehabt?
    León spürte, wie Vitória einen winzigen Moment
lang in seinen Armen erstarrte, sich jedoch unmittelbar danach wieder an ihn
schmiegte. Sein Mund berührte ihre Lippen, die weich und warm und willig waren
und seinen zarten Kuss erwiderten. Er ließ seine Hand an ihrem Rücken
hochwandern, der sich ihm entgegenwölbte, je inniger und intensiver ihr Kuss
wurde.
    Erst als ein Loch in der Straße den Wagen erschütterte,
ließen sie voneinander ab. Doch León war nicht gewillt, sich die Magie dieses
Augenblicks von den Straßenverhältnissen zerstören zu lassen. Er hielt Vitória
weiterhin fest in seinen Armen, lehnte aber den Kopf nach hinten, um ihr besser
ins Gesicht sehen zu können. Was er darin las, erfüllte ihn mit einer so großen
Zärtlichkeit, dass es beinahe schmerzte.
    »In jede Hütte, hm?«, nahm Vitória den Gesprächsfaden
wieder auf. Ihre Stimme klang wie das Schnurren einer Katze.
    »Ja, sogar in diese Ruine, die wir eben
besichtigt haben«, raunte er ihr ins Ohr und kitzelte sie dabei mit seinem
Atem. »Wenigstens ist dort Platz genug für dieses Kalb von Sábado. Und es hat
genügend Zimmer, die wir mit unseren hübschen Kindern füllen können.«
    »Wenn du meinst.« Vitória wandte sich ab. Der
Zauber war verflogen, die Lust auf Küsse war ihr mit einem Mal gründlich
vergangen. Sie wollte nicht über Kinder reden, nicht einmal darüber nachdenken.
Sie würde keine mehr bekommen können, das hatte Zélia ihr damals gesagt.
    »Was ist mit dir?« Der plötzliche
Stimmungsumschwung irritierte León.
    »Ach, nichts. Ich dachte nur gerade an ... an
die Verhandlungen, die wir mit der Besitzerin führen müssen. Dona Almira
scheint mir ein harter Brocken zu sein. Selbst wenn wir sie bis Ende der Woche
zappeln lassen, glaube ich nicht, dass sie sich noch viel weiter
herunterhandeln lässt.«
    »Gib zu, dass dir die Aussicht auf das
Gefeilsche Freude macht. Vielleicht hast du in Dona Almira ja endlich mal einen
ebenbürtigen Verhandlungspartner.«
    León sah seine Frau verliebt an. Alles war in
Ordnung. Wenn es etwas auf der Welt gab, das Vita von seinen Küssen ablenken
durfte, ohne seinen Unmut oder seine Eifersucht herauszufordern, dann war es
ihr Geschäftssinn.
    Jetzt, keine drei Monate später, war das Haus
bezugsfertig. Vitória hatte die Renovierungsarbeiten persönlich beaufsichtigt
und damit das Arbeitstempo erheblich gesteigert. Sie war immer in Begleitung
ihres Hundes zu der Baustelle gegangen, der den Männern mit seiner schieren Größe
Respekt einflößte, jedoch nicht halb so viel Respekt, wie sie vor ihr hatten.
Sie hatte Maurer herumkommandiert, Installateure angetrieben, Tischler
kritisiert, an den Malern herumgemäkelt, den Glaser gefeuert, den neuen Glaser
bevormundet, den Stuckateur beleidigt und dem Fliesenleger den letzten Nerv
geraubt. Die Handwerker, vermutete León, waren allein deswegen in Rekordzeit
fertig geworden, weil sie nicht länger dem Perfektionismus und der
Kompromisslosigkeit Vitórias ausgesetzt sein wollten. Er selber fand, dass
seine Frau einen ausgezeichneten Vorarbeiter abgegeben hätte, hütete sich aber,
ihr das zu sagen. Das einzige Mal, da er sich belustigt über ihr ganz und gar
undamenhaftes Engagement auf der Baustelle gezeigt hatte, war sie ihm fast an
die Gurgel gegangen.
    »Aber León! Diese Männer sind faul und dumm.
Irgendjemand muss ihnen doch sagen, was und wie sie es zu tun haben, denn von
allein wissen sie es ja nicht. Sie sind wie Sábado: Sie brauchen eine starke
Hand. Sie würden sonst alles falsch machen. Alles!

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