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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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unterhalten, Junge mit
Alten genauso wie Republikaner mit Monarchisten.
    Die Sklaven, die dank Leóns Bezahlung offiziell
keine mehr waren, sich aber weiterhin als Eigentum Vitórias betrachteten,
machten ihre Sache erstaunlich gut. Dafür, dass sie bis vor kurzem noch auf
Boavista Kühe gemolken, Kaffeebohnen sortiert oder Wäsche gebügelt hatten,
stellten sie sich im Haus und im Umgang mit den Gästen gar nicht mal so
ungeschickt an. Natürlich musste der einstige Stallbursche keine Champagnergläser
herumreichen, dafür hatten sie schließlich professionelle Kellner engagiert.
Ihn hatte Taís dazu abgestellt, die vielen Blumensträuße entgegenzunehmen und
in Vasen zu stellen. Diese Beschäftigung war ihm völlig fremd, doch er schlug
sich tapfer, trotz der wunden Füße, die ihm die ungewohnten neuen Schuhe
bescherten. Taís ist wirklich ein Goldstück, dachte Vitória zum hundertsten Mal
an diesem Abend. Nur ihrer Menschenkenntnis und ihrer natürlichen Autorität war
es zu verdanken, dass die neuen Sklaven sich perfekt eingefügt hatten. Alles
lief wie am Schnürchen.
    Auch Isaura fand die Schuhe lästig, war aber so
verliebt in den Anblick, dass sie dafür gern Schmerzen in Kauf nahm. Erst nach
mehreren Stunden, in denen sie Aschenbecher geleert, herrenlose Gläser abgeräumt
und Tische abgewischt hatte, bereitete ihr das Gehen ernsthafte
Schwierigkeiten. Ihre Zehen brannten wie Feuer, ihre Fersen waren wund
gescheuert, ihre Beine schwer. Sie bekam die Füße kaum noch hoch, doch um
nichts in der Welt hätte sie ihre Arbeit vernachlässigt, nicht heute Abend. Mit
zusammengebissenen Zähnen lief sie weiter emsig hin und her, trug leere
Silberplatten in die Küche, tupfte den Fleck trocken, den ein umgestoßenes Glas
Wein auf dem Teppich hinterlassen hatte, und brachte einer Dame eine kleine
Karaffe Essig aus der Küche, wozu auch immer das gut sein sollte. Erst als ein
schmallippiger Mann, der ihr zuvor durch seine hochtrabenden Reden für die
Abschaffung der Sklaverei aufgefallen war, sie scharf anfuhr, wo denn sein
Cognac bliebe, den er schon vor Stunden bestellt hätte, war es um Isauras
Geduld geschehen. Weder hatte sie Lust, für die Versäumnisse der Kellner
geradezustehen, noch sich auch nur eine weitere Sekunde in diesem Raum mit
diesen schrecklichen Leuten aufzuhalten. Sie rannte humpelnd davon.
    Im Flur vor der Küche fand León sie wenig später,
in Tränen aufgelöst, mit angezogenen Beinen und dem Rücken an der Wand hockend.
Ein anderes Mädchen, das Isaura Trost spendete, scheuchte er davon. »Husch,
husch, draußen wartet Arbeit für zwei auf dich.« Dann strich er sanft über
Isauras Kopf.
    »Ich habe dem Mann die Meinung gesagt. Daraufhin
ist er gegangen. Du kannst also wieder weiterarbeiten, sobald du dich beruhigt
hast. Wie heißt du überhaupt?«
    »Isaura«, heulte Isaura, von einem Weinkrampf
geschüttelt.
    »Wie in dem Buch?« León musste schmunzeln,
setzte aber sofort wieder eine ernste Miene auf, als er das fragende Gesicht
des Mädchens sah. »So, komm«, damit nahm er sie an der Hand, um ihr
aufzuhelfen. »Du machst dich jetzt ein bisschen frisch, und dann machst du
weiter, wo du aufgehört hast. Ohne deine Hilfe wären wir verloren – du hast
ausgezeichnete Arbeit geleistet heute Abend. Und es dauert ja nicht mehr lang,
die ersten Gäste gehen schon.«
    Als das Mädchen aufrecht vor ihm stand und seine
Kleidung glatt strich, wurde Leóns Blick plötzlich starr.
    »Was ist das für ein Anhänger da an deiner
Kette?«
    Isaura war irritiert. Seit wann interessierten
sich die Herrschaften für ihre Aufmachung, solange die Haube richtig saß und
die Schürze weiß war?
    »Den habe ich geerbt«, sagte sie mit noch immer
tränenerstickter Stimme.
    »So, so. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich aber,
dass die ehemalige Besitzerin dieses Schmuckstücks keineswegs verstorben ist,
sondern sich bester Gesundheit erfreut.«
    »Aber nein, Senhor León, da täuschen Sie sich.«
Isaura zog geräuschvoll die Nase hoch. »Zélia ist mausetot und liegt in ihrem
Grab, ich selbst habe vor knapp einem Jahr Erde auf ihren Sarg gestreut, bei
der Beerdigung.« Sie bekreuzigte sich.
    »Welche Zélia? Wovon redest du?«
    »Zélia gehörte der Anhänger, und sie hat ihn mir
geschenkt, als sie spürte, dass ihr Tod nahte. Zélia war Sklavin auf Boavista.«
    »Ah ja. Und wie mag Zélia wohl an ein solches Stück
gekommen sein, hast du dich das mal gefragt? Hat Zélia es vielleicht gefunden,
ja?« Leóns Stimme

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