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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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nicht allzu viel. Als habe sie
die Gedanken ihrer Herrin gelesen und nur darauf gewartet, ihr das Gegenteil
beweisen zu können, öffnete Tals in diesem Augenblick die Haustür und trat zur
Begrüßung Vitórias heraus. Alle Würde, die ihre schmucke Uniform und ihre
steife Haltung ausstrahlten, wurde von ihrem entwaffnenden Lächeln aufgehoben.
Taís stand der Stolz ins Gesicht geschrieben.
    »Sinhá Vitória, willkommen! Sie werden staunen,
was wir seit gestern bewerkstelligt haben ... Dedé Luiz, was steht ihr hier
noch herum, macht, dass ihr Dona Vitória mit ihren Taschen helft!« Die beiden
Jungen liefen zur Kutsche und stellten sich so ungeschickt mit dem Gepäck an,
dass Vitória bei der Vorstellung, wie diese ungelenken Halbwüchsigen ihren Gästen
die Hüte und Sonnenschirme abnahmen, die Augen verdrehte. Allerdings entbehrte
dieses tapsige Duo auch nicht eines gewissen Charmes, wenn es, wie vor kurzem
noch Sábado, ungestüm über die zu großen Pfoten stolperte.
    Vitória schritt hoheitsvoll die Treppe herauf.
Dies war das erste Mal, dass sie ihr Haus betreten würde, ohne über die schützend
ausgelegten Matten zu stapfen. Inzwischen müssten die Teppiche, die
zusammengerollt an der Wand gelehnt hatten, auf den Böden liegen, müssten
Kerzenleuchter, Bilderrahmen, Blumenvasen auf den Kommoden und Tischchen
stehen, die Bücher in die deckenhohen Regale eingeräumt worden sein. Vitória
gab sich keinen Illusionen hin – wahrscheinlich standen die Bücher auf dem
Kopf, weil keiner der Schwarzen lesen konnte, und wahrscheinlich hatte
irgendein Banause die wertvollen Kristallvasen in die hinterste Ecke verbannt
und dafür dem kitschigen Nippes einen Ehrenplatz zugewiesen. Aber dafür war sie
ja jetzt hier. Bevor die ersten Gäste eintrafen, hatte sie noch vier Stunden
Zeit, wovon sie eine für ihre Toilette veranschlagte. Blieben also drei
Stunden, um sich um diese Details zu kümmern. Das war sehr knapp kalkuliert,
lag aber, wie Vitória fand, durchaus im Bereich des Machbaren.
    Doch als Vitória das Foyer betrat, bekam sie
eine Gänsehaut. Alles war, auf den Millimeter, exakt so, wie sie es sich
vorgestellt hatte. Die Obstschale stand auf der Anrichte und war mit einer
dekorativen Mischung von tropischen Früchten gefüllt, wie sie selber sie nicht
hübscher hätte anordnen können. Der Blumenstrauß in der chinesischen
Porzellanvase entsprach genau ihrem Stilempfinden, kein Zweig zu wenig, keine
Blüte zu viel. Die Bilderrahmen mit den Porträts ihrer Familie waren so
platziert, wie auch sie sie aufgestellt hätte. Himmel, das war ja richtig
unheimlich! Irgendjemand hier musste ihre Gedanken lesen können.
    »Wer war das?«, fragte sie leise.
    »Aber Sinhá Vitória, ich dachte ...« Tals'
Stimme zitterte. Sie hatte die Neuen bis zum Umfallen schuften lassen und sich
selber nur drei Stunden Schlaf gegönnt, um ihre Herrin mit einem perfekt
hergerichteten Haus zu überraschen. Und jetzt das. Eine dicke Träne glitzerte
in ihren unteren Wimpern, kurz davor, herabzurollen.
    Vitória ging auf Tals zu, die, in Erwartung
einer Ohrfeige, einen Schritt zurückwich. Vitória nahm die sonderbare Reaktion
des Mädchens gar nicht zur Kenntnis. Aus einem Impuls heraus umarmte sie Tals
und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Sábado sprang wedelnd um die beiden
herum. Aus unerfindlicher Ursache freute er sich immer, wenn zwei Menschen sich
umarmten, selbst wenn die Umarmung keinen besonders erfreulichen Grund hatte.
    »Es ... es gefällt Ihnen?«, fragte Tals schüchtern.
    »Nein, Taís, es gefällt mir nicht bloß, ich
finde es atemberaubend! Hast du das alles allein gemacht?«
    »Natürlich nicht. Ich hatte ja Jorginho, Isaura,
Lisa ...«
    »Ich meine nicht die Sklaven«, unterbrach Vitória.
»Ich meine, hat dir vielleicht Sinhá Joana mit ein paar Ratschlägen zur Seite
gestanden, oder mein Mann?«
    Das Mädchen schüttelte verständnislos mit dem
Kopf.
    Vitória fand den Gedanken beschämend, dass
ausgerechnet eine Schwarze, eine Dienstmagd, ihr so seelenverwandt sein konnte,
und hatte keine Lust, dem Mädchen genauer zu erklären, warum sie angesichts des
perfekt dekorierten Hauses so erstaunt war. Schweigend ging sie durch das Foyer
in den großen Salon, in dem sie ebenfalls alles so vorfand, wie es ihrer
Vorstellung entsprach. In der Luft lag der Geruch von Mörtel, frischer Farbe
und Lilien. An den Wänden fehlten noch einige Bilder, sonst aber war jedes
Detail perfekt. Drei riesige Sofas standen über Eck

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