Ana Veloso
Rat
und Tat zur Seite gestanden hatte, war hartnäckig geblieben.
»Du musst Berufliches und Privates trennen,
Aaron. Und du musst deinen Lebensstil endlich den veränderten Umständen
anpassen. Du bist kein armer Student mehr, und deshalb solltest du dich auch
nicht mehr benehmen wie einer. In der Küche essen! Was soll das? Iss wie jeder
kultivierte Mensch in einem Zimmer, das hübsch eingerichtet ist und einem nicht
durch den Anblick von schmutzigem Kochgeschirr oder einem klebrigen Herd den
Appetit verdirbt. Außerdem könntest du ja auch einmal Gäste haben. Willst du
Vita vielleicht in der Küche bewirten?«
Das hatte den Ausschlag gegeben. Aaron sah
schließlich ein, dass er in eine Esszimmergarnitur investieren musste, bei
deren Auswahl ihm ebenfalls Joana behilflich war. Er kaufte einen ovalen Tisch
aus Jacarandaholz, der bis zu sechs Personen Platz bot, passend dazu
gepolsterte Stühle und ein Büfett, außerdem ein kleines
Sofa und zwei Sessel, sodass er nun ein
Wohn-Esszimmer hatte. Joana hatte ihm versichert, dass die neue Einrichtung
sehr geschmackvoll und zeitgemäß war. Er selber hatte dazu keine besondere
Meinung. Hauptsache, die Stühle und Sessel waren bequem, und das waren sie.
Joana unterstützte Aaron auch bei der Auswahl von Gardinen und Tapeten, wofür
er ihr dankbar war. Ihm war alles recht, solange die in dem Raum dominierende
Farbe nicht gerade Rosa war. Aber Joana hatte alles in miteinander
harmonierenden Blautönen ausgewählt, und das Ergebnis gefiel Aaron. Nur bei
einer Sache konnte ihm Joana nicht helfen: Die Möbel und die Kisten mit den Sachen
seiner Eltern, die er aus ihrer bescheidenen Wohnung in São Paulo geholt hatte,
musste er allein sichten. Sie standen in wildem Durcheinander in dem
ungenutzten dritten Raum des Wohnbereichs, der, wenn es nach Joana ging, als Gästezimmer
eingerichtet werden sollte, sobald das Chaos beseitigt wäre.
Aber Aaron überkam bereits jetzt, beim Öffnen
der ersten Kiste, das ungute Gefühl, dass er die Sachen nie würde ordnen können.
Den siebenarmigen Kerzenleuchter, ja, den konnte er im Salon unterbringen. Die
angeschlagene Porzellanvase, einst der ganze Stolz seiner Mutter, konnte er
ohne größere Gewissensbisse weggeben. Aber was sollte er mit den Gebetsriemen
seines Vaters anstellen? Zum Wegwerfen waren sie zu schade, behalten wollte er
sie aber genauso wenig. Er hatte keinen Bedarf an religiösen Utensilien
jeglicher Art. Aaron hatte seinen Glauben schon vor langer Zeit verloren, und
selbst die jüdischen Rituale waren ihm hier in der Diaspora fremd geworden,
lange bevor seine Eltern gestorben waren. Es tat ihm Leid, dass er seine Eltern
in dieser Hinsicht so enttäuscht hatte. Während sie für seine Namensänderung,
Nogueira war die Übersetzung von Nuszbaum, Verständnis geheuchelt hatten, war
ihnen der Atheismus ihres Sohnes ein nicht versiegender Quell der Betrübnis
gewesen. Heute hätte Aaron ihnen seine Haltung vielleicht diplomatischer nahe
bringen können, doch als 17-Jähriger hatte er sie brutal mit der Wahrheit
konfrontiert und sich dabei völlig im Recht gefühlt.
Er grub sich weiter durch die erste Kiste. Ein
paar fadenscheinige Tischdecken? Weg damit. Das »gute« Geschirr seiner Mutter,
das genau genommen nicht besonders gut war und auch nur aus wenigen Teilen
bestand – hm, vielleicht. Oder nein, das sollte er lieber aussortieren. Seine
Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass darauf unkoscheres
Essen serviert würde. Aaron aß inzwischen alles außer Schweinefleisch, was
seine Hausangestellte, die León ihm vermittelt hatte, aber noch immer nicht
begriffen hatte. Mariazinha, eine dicke Schwarze mit einem nicht zu bremsenden
Rededrang, schimpfte ihn weiterhin aus, wenn er ihre Koteletts, Schweinebraten
oder Schinkenbrote nicht anrührte. »Kein Wunder, dass Sie so klapperdürr sind,
wenn Sie nie etwas Vernünftiges essen!«
Aaron hatte den Verdacht, dass Mariazinha sich dümmer
stellte, als sie war, um die von ihrem Patron verschmähten Leckereien, die »Reste«,
selber zu essen oder mit nach Hause zu ihren fünf schon fast erwachsenen
Kindern zu nehmen. Es war ihm gleich. Er mochte die Frau, die täglich außer
sonntags kam und sich um ihn wie um seine Wohnung gleichermaßen kümmerte. Sie
war Haushälterin, Putzfrau und Köchin in einer Person, zudem war sie kompetent
und freundlich. Anders als die meisten anderen Haushaltshilfen, die, auch wenn
sie keine Sklaven waren, in den Häusern ihrer
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