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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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wurde leiser und beißender. »Eines schönen Tages, an der Tür
zur Senzala, wo es jemand extra deponiert hatte, damit Zélia es findet? Ja,
glaubst du, dass es vielleicht so gewesen ist?«
    Isaura bekam es mit der Angst. Als sie von
Boavista abgereist war, hatten die anderen sechs Sklaven, die mit ihr zu Sinhá
Vitória fuhren, über nichts anderes geredet als ihr enormes Glück, jetzt bei León
Castro arbeiten zu dürfen, der als Freund der Schwarzen bekannt war. Und bis
vor wenigen Sekunden hatte Isaura dasselbe geglaubt: Ihr neuer Herr schien
wirklich das Herz auf dem rechten Fleck zu haben. Aber jetzt konnte Isaura sich
des Eindrucks nicht erwehren, dass er vielleicht nicht ganz bei Sinnen war.
Dieser abrupte Stimmungsumschwung verhieß nichts Gutes. Sie versuchte ruhig zu
bleiben, das war bei Verrückten immer das Beste. Man durfte sie nicht spüren
lassen, dass man sie für irr hielt.
    »Zélia hat den Anhänger geschenkt bekommen, für
ihre treuen Dienste«, stotterte sie und starrte auf den Boden.
    »Ach, ein Geschenk also, ja? Und wieso kannst du
mir nicht in die Augen sehen, während du mir diese dreiste Lüge auftischst? Ich
werde dir sagen, wie Zélia an dieses > Geschenk < gekommen ist: Sie hat den
Anhänger gestohlen.«
    »Nein, ich schwöre bei der heiligen
Muttergottes, dass sie ihn geschenkt bekommen hat. Fragen Sie doch Ihre Frau!«
Isaura ärgerte sich über sich selbst. Hätte sie doch nur vorher daran gedacht,
dass das Schmuckstück einst der Sinhá gehört haben musste!
    León ließ ebenso plötzlich von ihr ab, wie er
sie festgehalten hatte. Er drehte sich auf dem Absatz um und ging, nach außen
ganz ruhig wirkend, auf die Tür zu, hinter der das Gelächter der Gäste, die
Pianomusik, das Klirren von Gläsern zu hören waren.
    Er fand Vitória im »Herrenzimmer«, wo sie gerade
eine Gruppe von fünf hingerissenen Männern mit ihren Abenteuern an der Börse
unterhielt.
    »Meine Herren«, wandte sich León entschuldigend
an Vitórias Publikum, »können Sie diese entzückende Dame für einen Moment
entbehren? Ich habe etwas Dringendes mit ihr zu besprechen.« Er sprach »Dame«
wie ein Schimpfwort aus, was aber nur Vitória wahrnahm.
    »Komm, mein Herz.« León nahm Vitória an der Hand
und verließ mit ihr den Raum, gefolgt von den eifersüchtigen Blicken der Männer,
die ihn nicht nur für einen ausgemachten Glückspilz hielten, sondern auch für
einen Dummkopf. Welcher Mann ließ eine so hübsche kleine Frau schon an der Börse
spekulieren? León zerrte Vitória mit zu dem Raum, der als sein Arbeitszimmer
vorgesehen war und in dem sich keine Gäste aufhielten. »Wieso trägst du
eigentlich nie den Anhänger, den ich dir einmal geschenkt habe? Zu diesem Kleid
würde er sehr gut passen.«
    »Himmel, León! Hast du keine anderen Sorgen heute
Abend?«
    »Nein, zum Glück nicht. Also: Was ist mit diesem
Anhänger?«
    »Es hat überhaupt keine Klasse, nach Dingen zu
fragen, die man selber verschenkt hat.«
    »Weich mir nicht aus.«
    »Ich habe ihn verloren. So, bist du jetzt
zufrieden? Dann kann ich ja gehen.« Damit drehte sich Vitória um und machte
einen Schritt auf die Tür zu.
    Weiter kam sie nicht. León hielt sie am Oberarm
fest.
    »Du tust mir weh!«
    »Oh, meine liebe Sinhazinha, du mir auch!«
    »Lass mich los. Ich werde einen blauen Fleck
bekommen, und alle Klatschtanten der Stadt werden verbreiten, dass du ein
Grobian der allerübelsten Sorte bist, der seine Frau verprügelt.«
    »Das käme dir nur gelegen, oder? Aber du lenkst
vom Thema ab.«
    »Nicht von meinem.«
    Vitória war es gelungen, León aus dem Konzept zu
bringen. Doch er fing sich wieder und fuhr fort: »Vielleicht freut es dich zu hören,
dass ich den Anhänger entdeckt habe.«
    »Oh, das ist fantastisch! Wo denn?«
    »Am Hals eines der neuen Mädchen. Also verrätst
du mir jetzt freundlicherweise, wie diese Person daran gekommen ist?«
    »Ich habe
nicht die geringste Ahnung.« Das zumindest entsprach der Wahrheit. »Warum
fragst du sie nicht selber?«
    »Das habe ich, meu amor. Sie behauptet,
sie habe das Stück geerbt. Von einer Sklavin namens Zélia.« León sah Vitória prüfend
an, doch sie hielt seinem Blick stand.
    »Na dann ...«
    »Erzähl mir, wie diese Zélia in den Besitz des
Anhängers gelangt ist.«
    »Ganz einfach: Sie wird ihn gefunden haben.« Vitória
starrte León aus kalten Augen an. Was veranstaltete er nur für ein Theater um
dieses Schmuckstück? Hätte er es nicht heute durch Zufall gesehen, wäre

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