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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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in der Mitte des Raums, um
einen runden Holztisch herum, auf dem ein opulentes Blumengesteck prangte.
Unter einem der Fenster standen zwei Sessel um einen kleinen Beistelltisch,
unter dem anderen Fenster befand sich ein Schachtisch mit zwei filigranen Stühlen.
Das neue Klavier machte sich ausgezeichnet in einer dunkleren Ecke des Salons,
wo es schräg aufgestellt worden war. Eine Recamière stand an der Wand unter dem
Platz, der für das Gemälde von Vitória und León vorgesehen war. Das Bild sollte
von dem umjubelten Rodolfo Amoedo gemalt werden, der sich als Hintergrund das
neue Haus des Paars in den Kopf gesetzt hatte. In den nächsten Wochen würden
sie ihm häufig Modell stehen müssen.
    Vitórias Blick fiel auf die Konsole neben der
Recamière. Auf einer Spitzendecke waren mehrere Zieraccessoires zu einem
kleinen Stillleben gruppiert worden: ein silberner Aschenbecher, zu fein, als
dass es jemand gewagt hätte, ihn wirklich zu benutzen; eine schmale
Kristallvase, in der eine einzige weiße Rose steckte; und ein winziges,
himmelblaues Porzellandöschen, das Vitória als jenes identifizierte, das ihr León
an dem Abend geschenkt hatte, als er ihr den Antrag machte. In ihrer Verärgerung
hatte sie das Döschen damals achtlos in irgendeiner Ecke abgestellt und es
danach vergessen. Wahrscheinlich war es jetzt in einer der Kisten von Boavista
hierher gelangt. Sie hob das kostbare Stück vorsichtig hoch, ängstlich darauf
bedacht, den Deckel nicht fallen zu lassen.
    »Eine wunderhübsche Dose«, bemerkte Taís, die
Vitória gefolgt war.
    »Ja.« Vitória betrachtete das Döschen genauer.
Der Deckel war mit einem rosa blühenden Baum bemalt, hinter dem sich ein Berg
mit schneebedecktem Gipfel erhob. Das Motiv war zauberhaft, auch wenn Vitória rätselte,
was genau es abbildete. Wahrscheinlich eine Landschaft in einem der Länder, die
er mit ihr bereisen wollte. Vitória verdrängte den Gedanken an Leóns
Versprechungen, mit denen er sie in die Ehe gelockt und die er nicht eingelöst
hatte. Jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, um sich darüber aufzuregen. Sie
stellte die Porzellandose wieder an ihren Platz und straffte die Schultern. Es
lag noch viel Arbeit vor ihnen.
    Die meisten Gäste trafen ungewöhnlich pünktlich
ein. Vitória vermutete, dass sie es vor lauter Neugier kaum ausgehalten hatten.
Sie ahnte, wie viele Gerüchte über sie, León und das Haus im Umlauf sein
mussten, und die Tatsache, dass sie kaum jemandem gestattet hatte, ihr neues
Zuhause zu besichtigen, bevor es vollständig eingerichtet war, hatte den
Klatsch wahrscheinlich zusätzlich geschürt.
    Jetzt waren sie alle sprachlos. Wer gehofft
hatte, eine geschmacklos protzige Einrichtung vorzufinden, wurde von dem
unaufdringlichen, jedoch überaus edlen Ambiente enttäuscht. Wer geglaubt hatte,
auf einer Baustelle feiern zu müssen, und daher nicht die allerfeinsten Schuhe
trug, schämte sich nun für seine Aufmachung. Wer sich insgeheim gewünscht
hatte, eine aufgelöste, nervöse Gastgeberin zu begrüßen, erblasste angesichts
Vitórias grandioser Erscheinung. Wer den Gerüchten über das grimmige Untier,
das Vitória Castro da Silva nicht von der Seite wich, Glauben geschenkt hatte,
reagierte überrascht auf den wohlerzogenen, freundlichen Hund, der die ihm
zugeworfenen Happen mit größerer Anmut verspeiste als einige der Gäste ihre
Petits Fours. Wer León Castro für seine Verlogenheit kritisiert hatte, erfuhr
an diesem Abend, dass alle Schwarzen im Haus für ihre Arbeit bezahlt wurden.
Nur wer gekommen war, um sich mit den Gastgebern zu freuen und sich zu amüsieren,
wurde nicht enttäuscht: In dieser Hinsicht war die Einweihungsfeier perfekt.
    Die Mischung der Gäste war gewagt, funktionierte
aber. Aaron diskutierte angeregt mit Leóns Chefredakteur über die Auswirkungen
der Immigrantenwelle auf die Volkswirtschaft, João Henrique überschüttete »die
göttliche Marquez« mit Komplimenten und erntete dafür sogar das eine oder
andere huldvolle Lächeln von der umschwärmten Schauspielerin, Joana hatte sich
des Generals Assis und seiner Frau angenommen, die ebenfalls in Goa gelebt
hatten und froh waren, ihre Erinnerungen an diese für sie so glorreiche Zeit
mit jemandem teilen zu können. Künstler und Bankiers, Politiker und Matronen,
Fazendeiros und Universitätsprofessoren – ihre Gäste, stellte Vitória mit
Genugtuung fest, hatten sich in den abenteuerlichsten Konstellationen
zusammengerauft und schienen sich dabei vorzüglich zu

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