Ana Veloso
gesetzt und
gewonnen – das Fünffache seines Wetteinsatzes. Mit einem Bekannten, den er im
Joquei Clube getroffen hatte, war er anschließend auf einen Drink in die Stadt
gefahren, um seinen Gewinn gebührend zu feiern. Die Schwarzen haben anscheinend
auch einen Grund zum Feiern, dachte Pedro noch und freute sich mit ihnen. Doch
seine ausgelassene Stimmung verflog jäh, als er den Grund für den Jubel in den
Straßen erfuhr. Auf dem kurzen Fußweg von dem Café zu der Kutsche hatte er sich
dann auch noch zu allem Überfluss die Stirn an einem rostigen Fenstergitter
aufgeschlagen, als er von der Menge, die sich durch die Straßen der Innenstadt
wälzte, unsanft beiseite geschubst worden und gestolpert war. Als er sich vor
dem Mob in einem Hauseingang in Sicherheit gebracht hatte – seinen Bekannten
hatte er unterwegs aus den Augen verloren –, wischte er sich mit dem Rockärmel über
die Stirn und merkte, dass er blutete. Warum hatte er ausgerechnet heute sein
Taschentuch, das ihm Joana jeden Morgen in die Rocktasche steckte, dazu
missbraucht, sich Staub von den Schuhen zu wischen, und es dann in der Kutsche
liegen gelassen? Sei's drum. Es gab jetzt Dringenderes, über das er nachdenken
musste. Was würde mit Boavista passieren? Wäre sein Vater in der Lage, die
Fazenda auch ohne Sklavenarbeit weiterhin Gewinn bringend zu führen? Wäre es
nicht ratsam, sich auf der Stelle dorthin zu begeben und seine Hilfe
anzubieten? Gemeinsam konnten sie es vielleicht schaffen. Aber nein, in den nächsten
Tagen wäre an eine Reise ins Vale do Paraíba nicht zu denken. Wenn die
Schwarzen hier in Rio schon so tobten, wie wäre dann erst die Situation auf dem
Land?
Als Pedro endlich zu Hause ankam, lief er, noch
bevor seine Frau ihn sah und ihm den üblichen Begrüßungskuss geben konnte,
schnell hinauf, um sich zu waschen und umzuziehen. Er wollte Joana nicht mit
seinem Anblick beunruhigen. Sie war sicher auch so schon verängstigt.
Doch als er dann ins Esszimmer kam, erwartete
ihn eine strahlende und ungewöhnlich elegant gekleidete Joana mit einem
besonders festlichen Abendessen.
»Gibt es einen Grund zum Feiern?«
»Gibt es keinen?«
»Ich glaube nicht. Ich weiß, dass du immer für
die Abschaffung der Sklaverei warst, und ich weiß auch, dass du die Schwarzen
bezahlst.«
Joana sah Pedro überrascht an.
»Aber ja, ich habe nur nichts dazu gesagt, weil
ich finde, dass das Haus und das Personal in deinen Zuständigkeitsbereich
fallen. Ich wollte mich nie einmischen.«
Joana hob zu einer Erwiderung an, doch Pedro
stoppte sie mit einer Handbewegung.
»Das ist es ganz gewiss nicht, was mir Sorgen
macht. Im Gegenteil: Im Augenblick bin ich dir für dein eigenmächtiges Handeln
sehr dankbar, denn nur ihm haben wir es zu verdanken, dass uns nicht alle
Schwarzen davongelaufen sind, dass wir jetzt an diesem herrlich gedeckten Tisch
sitzen und dieses wunderbare Essen serviert bekommen. Aber Joana, hast du dir
einmal überlegt, was jetzt auf Boavista zukommt? Und damit, früher oder später,
auch auf uns? Die Macht der Kaffeebarone ist gebrochen, Joana.«
Aber seine Frau schien das wenig zu berühren.
Sie strich zärtlich Pedros Haar aus der Stirn und erschrak, als sie die
schorfige Wunde sah.
Pedro erzählte ihr kurz und emotionslos, wie er
sich verletzt hatte. »Pedro, du brauchst weder das Geld noch die Beziehungen
deines Vaters, um es in der Welt zu etwas zu bringen. Du bist klug, fleißig und
hast alle Voraussetzungen, deinen eigenen Weg zu gehen. Nur an gesundem
Menschenverstand mangelt es dir manchmal ein bisschen. Herrje, wie kann man nur
eine so hässliche Wunde ignorieren?! Du musst sie dringend behandeln lassen!
Ich werde jemanden nach João Henrique schicken, wahrscheinlich ist er noch in
der Klinik und findet wieder kein Ende.«
Und bevor Pedro auch nur den Hauch einer Chance
hatte, dagegen ein Widerwort einzulegen, hatte Joana bereits die Klingel betätigt,
um Humberto mit dieser wichtigen Mission zu betrauen.
Die Schwarze Witwe saß allein in dem Zimmerchen,
dessen Miete León noch immer für sie bezahlte, und dachte nach. Ihre ganze
Aura, ihr Auftritt, ihre Extravaganz – all dem war mit dem heutigen Tage ein
Ende gesetzt worden. Sie wäre als freie Schwarze nichts Besonderes mehr, und
ohne ihre schwarze Garderobe – deren vorgeblicher Grund, die Trauer um ihr
Volk, ja nun hinfällig geworden war – würde sie nicht mehr die geringste
Aufmerksamkeit erregen. Andere Schwarze würden fortan in den Theatern,
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