Ana Veloso
an, alle Lampen im Haus zu entzünden, Splitter
und andere Spuren der Verwüstung im Esszimmer zu beseitigen und das Essen
anzurichten. Gar so hoch schien der Schaden ja gar nicht zu sein.
»Von den Turbulenzen des Tages wollen wir uns
doch nicht den Appetit verderben lassen, nicht wahr?«
Anderen Fazendeiros war dagegen gründlich der
Appetit vergangen. Eufrásia und Arnaldo waren froh, überhaupt mit dem Leben
davongekommen zu sein, nachdem die Schwarzen sie tätlich angegriffen hatten.
Nur die kleine Ifigênia saugte gierig an Eufrásias Brust, ein Anblick, den Dona
Iolanda trotz der außergewöhnlichen Umstände skandalös fand. Es gab keinen
Grund, sich gehen zu lassen, nur weil die Amme das Weite gesucht hatte oder
weil ein paar Neger ihrem Sohn die Nase gebrochen, ihrem Mann ein blaues Auge
geschlagen, ihr selbst das Kleid zerrissen und Eufrásia das Gesicht zerkratzt
hatten.
Rogério und seine Familie standen abgekämpft vor
den Ruinen ihres Hauses, das trotz stundenlanger Löscharbeiten bis auf die
Grundmauern abgebrannt war. Ein paar Feldneger, die in die Küche eingebrochen
waren, um sich mit Lebensmitteln einzudecken, hatten in einem Anfall schierer
Raserei mit einigen kraftvollen Tritten den Herd aus seiner Verankerung
gerissen und damit den Brand ausgelöst.
Bei den Leite Corrêias war der Tag glimpflicher
abgelaufen, nicht zuletzt deshalb, weil sie, wie die da Silvas, ihre Sklaven
immer gut behandelt hatten. Dennoch dachte auch Edmundo nicht ans Essen. Zu groß
waren seine Trauer und sein Unverständnis darüber, dass selbst Sklaven, die sie
als Familienmitglieder betrachtet und wie solche behandelt hatten,
davongelaufen waren. Sogar die hübsche Laila, der er den Hof gemacht, die er
mit Geschenken überschüttet und die er wie eine Prinzessin behandelt hatte,
Laila, die seit Vita das erste Mädchen war, dem er intensive Gefühle
entgegenbrachte, sogar sie war dem trügerischen Sog der Freiheit erlegen und
davongelaufen. Hatte er sich die Lust, mit der sie seine zaghaften Küsse und
seine zärtlichen Berührungen erwiderte, etwa nur eingebildet? Konnte er sich so
in ihr getäuscht haben? Und wie, in Gottes Namen, sollte er den Hohn in ihrem
Blick deuten, den sie ihm zum Abschied zugeworfen hatte?
Dona Doralices unbändige Freude über das Ende
der Sklaverei wurde getrübt durch das Wissen um die Verantwortungslosigkeit
vieler Schwarzer. Einige würden stehlen, randalieren und morden. Sie würden
glauben, sie seien jetzt die Herren im Land, und in wenigen Tagen würde die
Erkenntnis, dass es sich keineswegs so verhielt, den Übermut in Mutlosigkeit
umschlagen lassen, eine Gemütsverfassung, die nach Dona Doralices Erfahrung
viel gefährlicher war als das augenblickliche Gefühl der Unbesiegbarkeit. Aber
wer konnte es ihnen verdenken? Nach Jahrhunderten der Unterwerfung, der
Erniedrigung und der bewussten Unterdrückung all ihres selbstständigen Denkens
und Handelns war die Reaktion der Schwarzen doch nur natürlich. Dennoch war
Dona Doralice entschlossen, im Interesse der freigelassenen Sklaven für mehr
Besonnenheit zu sorgen. Vielleicht gelang es ihr, zumindest bei einigen Leuten,
den Überschwang ein wenig zu bremsen. Wenn erst die Vernunft die Oberhand
gewonnen haben würde, läge vor ihnen allen eine wunderbare Zukunft. Dona
Doralice lächelte selbstvergessen vor sich hin und ermunterte damit eine
wildfremde Frau, die neben ihr stand, sie am Arm zu packen und zu einem Tänzchen
herumzuwirbeln.
Keine hundert Meter entfernt von Dona Doralice
stand Aaron Nogueira auf seiner Veranda. Er wunderte sich über den Aufruhr, der
dort draußen herrschte. Das Ende der Sklaverei war doch nun wahrhaftig nicht überraschend
gekommen. Es hatte sich schleichend angekündigt, schon seit Jahren. Es hatte
mit dem Erlass wohlmeinender Gesetze zum Schutz der Schwarzen begonnen und sich
in der Einwanderungspolitik Brasiliens manifestiert, die gezielt europäische
Arbeitskräfte ins Land ließ, damit diese mehr und mehr die Arbeit der schwarzen
Sklaven übernehmen konnten. Einen weiteren Erfolg hatten die Abolitionisten
1871 mit der Erlassung des Gesetzes des »freien Bauches« feiern können, und als
1885 allen Sklaven, die über fünfundsechzig Jahre alt waren, per Gesetz die
Freiheit zugesprochen wurde, war die Befürwortung der Sklaverei längst eine vom
Aussterben bedrohte Geisteshaltung. Aaron wunderte sich vielmehr darüber, dass
es überhaupt noch so lange gedauert hatte, bis Prinzessin Isabel
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