Ana Veloso
den
Restaurants, auf den Soirees und Empfängen auftauchen. Andere gut aussehende
Mulattinnen würden den Männern den Kopf verdrehen. Der Kampf für die
Abschaffung der Sklaverei war zu Ende, und damit war sie jeden Vorwandes
beraubt, um sich mit León zu treffen. Die Schwarze Witwe verfluchte den 13. Mai
1888, ja, sie verfluchte diesen Tag, der das ganze Bild von ihr, an dem sie in
den vergangenen Jahren so hart gearbeitet hatte, mit einem Schlag vernichten würde.
Aber sie wäre nicht so weit gekommen, wenn sie sich
von einem kleinen Rückschlag wie diesem unterkriegen lassen würde. Sie war eine
Kämpfernatur, und bei Gott, sie würde kämpfen! Sie würde Leóns eingebildete
Ehefrau ausstechen, und sie würde auch die Nachteile, die die Freilassung der
Schwarzen für sie bedeuteten, in einen Sieg für sich verwandeln. Nur wie? Die
Schwarze Witwe goss sich ein weiteres Glas Sherry ein, band ihr Haar zu einem
straffen Knoten und machte sich daran, einen Schlachtplan zu entwerfen.
Fernanda war gerade dabei, das alte Fass mit
Steinen, Sand und Erde zu füllen, um es anschließend mit ein paar Blumen zu
bepflanzen, als Zeca aufgeregt die Straße heraufgerannt kam.
»Was machst du hier noch, ganz allein? Alle
feiern – komm mit!«
»Meine Güte, Zeca! Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich
nicht zu Feijãos Geburtstag kommen werde. Ich wollte heute einmal in Ruhe zu
Hause bleiben. Es gibt tausend Dinge, die ich während der Woche immer liegen
lasse und um die ich mich lieber kümmere als um diesen Wichtigtuer, dem ich,
ehrlich gesagt, nicht traue. Und überhaupt: Ich frage mich, woher er das Geld
hat, um alle einzuladen – bestimmt hat er es nicht auf anständige Weise
verdient.«
»Aber Fernanda, wer redet denn von Feijãos
Geburtstag? Wir feiern die Abschaffung der Sklaverei!«
»Nein!« Doch ein Blick in Zecas gerötetes,
freudestrahlendes Gesicht bestätigte ihr, dass es wahr war. »Das ist ... das
ist ... ach, Zeca!«, rief sie und fiel ihm um den Hals.
Hand in Hand liefen sie zu der Bar, in der es
schon hoch herging. Auch draußen vor der Tür hatte sich eine Menschenmenge
angesammelt. Ein paar Männer erzählten immer und immer wieder, wie, wann und wo
genau der historische Moment stattgefunden hatte, und schwadronierten dabei,
als hätten sie höchstpersönlich neben der Prinzessin gestanden und seien
praktisch verantwortlich für ihre glorreiche Tat.
Einer der lautesten Schwätzer war Feijão,
trunken von seinem vorübergehenden Reichtum und dem Genuss zahlreicher Schnäpse.
Zwar hatte er für die Marmorplatten, die er von der Baustelle gestohlen hatte,
nur einen Bruchteil dessen bekommen, was sie wert waren, aber trotzdem war ein
hübsches Sümmchen für ihn dabei herausgesprungen.
Fernanda und Zeca gesellten sich zu ein paar
Nachbarn, die weit von Feijão entfernt standen, und unterhielten sich mit ihnen
über die großartige Neuigkeit. Zeca drückte Fernandas Hand, ermutigt von der
allgemeinen Hochstimmung, doch sie erwiderte seine Aufmerksamkeiten nicht.
Fernanda dachte an nichts anderes als daran,
dass Félix nun endlich wieder aus seinem Versteck kommen konnte – und sie als
freie Menschen ein neues Leben beginnen konnten.
Buch III
XXIV
Vitória, Liebes, du lässt den Sklaven zu viele
Freiheiten. Du musst streng mit ihnen sein, sonst tanzen sie dir nur auf der
Nase herum.«
Dona Alma setzte sich in ihrem Bett auf und drückte
unzufrieden die Kissen in ihrem Rücken zurecht.
»Mãe, die Sklaverei wurde vor einem Jahr
abgeschafft.«
Dona Alma stieß ein trockenes Lachen aus und schüttelte
traurig den Kopf. »Ein Jahr schon? Mein Gott ...« Dann, als schäme sie sich
dieser kurzen nostalgischen Anwandlung, nahm sie wieder einen neutralen Ton an.
»Trotzdem hast du noch Sklaven, oder etwa nicht? Dieses freche Mädchen vorhin –
was zahlst du ihr? Kaum genug zum Überleben. Dafür arbeitet sie hier sechs Tage
die Woche, vierzehn Stunden am Tag. Wenn das keine Sklaverei ist.«
»Lassen Sie
das nicht León hören.«
»Nimm es mir nicht übel, Vitória, aber dein Mann
ist ein Träumer. Er glaubt, dass man die Neger mit ein paar Gesetzen zu Weißen
machen kann.«
»Sie irren sich, Mãe. Er sieht die Lage durchaus
realistisch. Er versucht nichts weiter, als eine gesetzliche Grundlage zu
schaffen, um die Schwarzen vor rassistischen Übergriffen, polizeilicher Willkür
und ökonomischer Ausbeutung zu bewahren.« Vitória wunderte sich über ihren
Drang, León vor ihrer Mutter in Schutz zu
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