Ana Veloso
obschon von nicht zu
identifizierender Abstammung, edel aussah. Er war trotz seiner Größe grazil,
mit langen Beinen und einem schlanken Rumpf. Mit seinen schwarzen Pfoten sah Sábado
aus, als trüge er Schuhe, und das schwarze Ohr wirkte in dem ansonsten weißen
Fell wie ein auf die Schuhe abgestimmtes Accessoire. Vitória vermutete, dass
einer von Sábados Vorfahren väterlicherseits eine Dogge war, dennoch hatte ihr
Hund nicht die Triefaugen und das Sabbermaul dieser Rasse, sondern ein
typisches Hundegesicht, mit spitzer Schnauze, rosafarbener Nase und mit wachen
braunen Augen, die bei Bedarf herzerweichend traurig aussehen konnten.
Vitória folgte ihrem Hund ins Parterre, wo Sábado
erwartungsvoll und schwanzwedelnd neben dem Garderobenständer stehen blieb, an
dem seine Leine hing.
»Isaura!«, rief Vitória nach dem Mädchen, das
sie durch die geöffnete Tür im Esszimmer sah. »Heute musst du dran glauben. Das
Abstauben der Vitrine kann warten.«
Unwillig legte Isaura den Staubwedel beiseite
und kam in die Halle. Schon wieder sie! Sie hatte die Sinhá doch erst vor drei
Tagen begleiten müssen!
Die Schwarzen mit ihrem ausgeprägten Sinn für
sozialen Status waren zwar stolz darauf, in einem der schönsten Häuser und für
eine der reichsten Frauen Rios zu arbeiten, doch sie schämten sich für jede
Kleinigkeit, die nicht dem Geist der Zeit entsprach. Konnte Sinhá Vitória nicht
einen kleinen Pudel besitzen, wie andere feine Damen auch? Warum musste sie täglich
mit diesem Untier spazieren gehen, noch dazu zu Zeiten, da jeder sie sah?
Konnte man den Hund nicht frühmorgens und abends nach Einbruch der Dunkelheit
ausführen? Alle, sogar die Schwarzen, die bei den verarmten Ferreiras in der
Rua Mata-Cavalos arbeiteten, machten sich schon lustig über sie, die Leute von
Sinhá Vitória!
Nachdem Isaura im Nutztrakt ihre Schürze
abgelegt hatte, nahm sie den Sonnenschirm ihrer Senhora und folgte ihr nach
draußen. Es war ein herrlicher Tag, wie überhaupt dieser Juli von strahlend
blauem Himmel und Temperaturen um fünfundzwanzig Grad gekennzeichnet war.
Isaura dachte an die Winter im Vale do Paraíba zurück, die, obwohl es von Rio
kaum eine halbe Tagesreise entfernt lag, viel kühler waren.
Vitória schlug den Weg Richtung Rua do Catete
ein, und im Stillen bemitleidete sich Isaura für ihr Pech. Mussten sie
ausgerechnet durch die belebteste Straße gehen, wo sie wieder alle Leute
komisch anschauen würden?
»Lass uns mal sehen, was sich in der Residenz
des Barão de Nova Friburgo tut«, sagte Vitória. »Es heißt, dass das Haus und
alles Mobiliar jetzt der Bank gehören. Aber ich wette, dass die Familie sich
die wertvollsten Gegenstände noch unter den Nagel reißt, wenn sie auszieht.«
Das Haus des Barons, ein neoklassizistischer
Palast von gigantischen Ausmaßen, war die größte und exklusivste private
Residenz in Rio de Janeiro – und dabei handelte es sich nur um eine Art
Ferienhaus, in dem die Familie für ein paar Wochen im Jahr Ablenkung von der
Monotonie des Landlebens gesucht hatte. Doch den Barão de Nova Friburgo hatte
dasselbe Schicksal fast aller Kaffeebarone ereilt – ohne seine zweitausend
Sklaven stand er vor dem Nichts. Vitória überlegte, ob sie nicht einmal mit Inácio
Duarte Viana reden sollte, der bei ihrer Bank der Experte für Hypotheken war
und ganz sicher mehr Details über die Verschuldung des Barons wusste.
Vielleicht konnte sie den Palast günstig erwerben? Es handelte sich nicht nur
um ein prachtvolles Gebäude, sondern auch um ein fantastisches Grundstück, das
zur einen Seite von der eleganten Rua do Catete und zur anderen Seite vom
Strand von Flamengo begrenzt wurde. Hinter dem Palast lag ein riesiger Garten,
der es den Bewohnern erlaubte, sich mitten im Trubel von Rio dem Gefühl
hinzugeben, sie weilten in einem englischen Park. Aber nein, dachte Vitória,
mit all den Kosten, die sie sich mit dem Erhalt von Boavista aufgehalst hatte,
wäre der Kauf dieser Immobilie der reinste Irrsinn. Und wofür brauchten sie
schon vergoldete Stuckdecken, einen maurischen Salon und ähnliche
Extravaganzen? Im Gegensatz zu diesem protzigen Palast hatte ihr eigenes Haus
immerhin fließendes Wasser, Toiletten und Bäder.
Eine Bekannte, die ebenfalls vor dem Palast
stand, um zu sehen, was sich dort tat, riss Vitória aus ihren Gedanken. »Senhora
Castro, ist es nicht eine Schande?«, rief die Frau in skandallüsternem Ton. »Der
arme Baron!«
Was für eine Hexe, dachte Vitória. Dona
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