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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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schlimmer machte sie es.
Am besten wäre es wohl, sich möglichst weit von León zu entfernen und die laue
Nacht in Gesellschaft von Bekannten zu verbringen, mit denen sie harmlos
plaudern konnte.
    Erst um vier Uhr morgens, auf dem Boot, das sie
zum Festland übersetzte, richtete León wieder das Wort an sie. »Ich habe dich
mit Rebouças und Cordélia gesehen. Seit wann unterhältst du dich freiwillig mit
Mischlingen?« Er wirkte aufrichtig neugierig und nicht so, als wolle er sie
verletzen. Dennoch fand Vitória seine Frage impertinent und dumm.
    »Seit ich mit einem verheiratet bin, natürlich.«
    Vitória verstand nicht, warum León sie ansah wie
ein verwundeter Puma. War er nun stolz darauf, zu einem Viertel Indio zu sein,
oder nicht?
    Eine Woche nach dem Ball auf der Insel ging die
Monarchie in Brasilien still zu Ende. Deodoro da Fonseca und Benjamin Constant,
zwei hochrangige Militärs und beide gleichermaßen desillusioniert von der
Politik des Ministerratspräsidenten, enthoben den Visconde de Ouro Preto am
Morgen des 15. November 1889 seines Amtes. Ihr Putsch richtete sich lediglich
gegen Ouro Preto und nicht gegen Dom Pedro II. Doch die Ereignisse verselbstständigten
sich im Laufe des Tages, bis am Abend plötzlich von einer »provisorischen
Republik« die Rede war, die noch der Zustimmung des Volkes bedurfte. Aber das
Volk, in der Mehrheit ignorant und gleichgültig, sah dem Geschehen tatenlos zu.
Deodoro da Fonseca, ein Freund des Kaisers, wurde, ohne den Sturz der Monarchie
beabsichtigt zu haben, das erste Oberhaupt der jungen Republik, Benjamin
Constant sein Kriegs- und Bildungsminister.
    Zwei Tage später, am 17. November 1889, verließ
die kaiserliche Familie Brasilien. Mit an Bord des Schiffes, das sie ins
portugiesische Exil bringen würde, war ein tief erschütterter André Rebouças.
Er, der engagierte Abolitionist und gute Freund von Prinzessin Isabel, gab sich
eine Mitschuld am Sturz der Monarchie und floh aus einer Republik, die er sich
nie gewünscht hatte.
    Die neue Regierung setzte sich aus einigen der
besten Köpfe der Zeit zusammen. Darunter befanden sich auch Zivilisten wie León
Castro, der als rechte Hand des Außenministers im Ausland für die
Einwanderungspolitik der »Vereinigten Staaten von Brasilien« warb. Es wurden so
viele neue Gesetze erlassen, dass Aaron Nogueira und alle anderen Juristen des
Landes rund um die Uhr arbeiten mussten, um sich mit der veränderten Rechtslage
vertraut zu machen. Rui Barbosa, der neue Finanzminister, erließ ein Dekret,
das den Druck von Banknoten erlaubte, die nicht von Goldreserven gedeckt waren.
Es wurde mehr als doppelt so viel Geld gedruckt, als bis dato in Umlauf gewesen
war.
    Vitória Castro da Silva profitierte von diesen
Umwälzungen – zumindest in finanzieller Hinsicht. Sie sah einen kurzfristigen
Boom an der Börse und eine verheerende Inflation voraus. Nachdem sie durch
Spekulationen saftige Gewinne eingefahren hatte, legte sie ihr Geld sicher und
renditeträchtig in den USA an, einer Nation, deren Aufstieg zu einer Weltmacht
ihrer Meinung nach nicht mehr zu bremsen war.
    Dona Alma beschimpfte ihre Tochter als
Kriegsgewinnlerin, obwohl der Putsch nichts von einem Krieg hatte, sondern der
Machtwechsel sich vollkommen friedlich und von den meisten Leuten unbemerkt
vollzogen hatte. Paradoxerweise profitierte aber auch sie von der neuen
Ordnung. Zusammen mit anderen Senhoras, die das Ende der Monarchie betrauerten,
gründete sie einen Zirkel, in dem Adelsfragen in allen Einzelheiten debattiert
wurden. Die Gesellschaft von Gleichgesinnten belebte Dona Alma in einer Weise,
wie es kein Tonikum und keine Bettruhe je gekonnt hatten. Der Stammbaum der
Braganças wurde analysiert, Hochzeiten zwischen den Mitgliedern anderer Königshäuser
geplant, Mesalliancen verdammt und Todesfälle beweint. Die Geburt von Manoel
II., dem dritten Kind des portugiesischen Königs Carlos I., am 15. November
1889, just am Tag der Ausrufung der Republik in Brasilien, deuteten sie als ein
gutes Omen. Dem Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. bei seiner Großmutter
Königin Victoria in London maßen sie eine größere Bedeutung bei als den
sozialistischen Tendenzen, die Europa aufwühlten. Und der Selbstmord des
Kronprinzen Rudolf, des einzigen Sohnes von Kaiserin Elisabeth – Sissi –, stürzte
sie in tiefe Depressionen.
    Eduardo fand in der Beschäftigung mit Technik,
Ingenieurskunst und Physik Erfüllung. Er pflegte einen intensiven Briefverkehr
mit

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