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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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eingeholt hatte. Er öffnete das Vorhängeschloss an dem Rollgitter, schob
das Gitter mit einem ratternden Klirren hinauf und ließ es einrasten. Dann öffnete
er die drei Schlösser an der Eingangstür, ließ Fernanda eintreten und verbeugte
sich vor ihr, als sei er ein Lakai und sie eine feine Senhora, die hier
einkaufen ging.
    Der Ladenraum lag noch im Halbdunkel. Die
abgestandene Luft roch schwach nach Papier, Klebstoff und Farben. Fernanda sog
den Duft tief ein – wie köstlich er ihr erschien, mit all den Erinnerungen, die
sie damit verband! Als habe der vertraute Geruch mit einem Schlag ihre verschüttet
geglaubten Kenntnisse wachgerufen, machte sich Fernanda mit Begeisterung daran,
die Gaslampen zu entzünden, während Félix die anderen Gitter vor den Fenstern öffnete.
Genauso hatten sie es vor Felipes Geburt getan. Fernanda kam es vor, als sei
die Zeit zurückgedreht worden. Sie setzte in dem rückwärtigen kleinen Zimmer,
das Félix' Büro war und in dem es einen kleinen Gaskocher gab, einen Kaffee
auf, während Félix das Wechselgeld in der Kasse zählte. Sie füllte die
Verkaufsständer, die mitten im Raum standen, mit Grußkarten und
Ausschneideblumen für Poesiealben auf, während Félix die zusammenklappbare
Reklametafel auf dem Bürgersteig vor dem Laden aufstellte. Jeder Handgriff saß,
sie funktionierten wie ein perfekt eingespieltes Duo. Fernanda rätselte, wie
sie jemals hatte fürchten können, diese Arbeit nicht zu bewältigen.
    Kurz nach neun Uhr trudelten die Angestellten
ein. Als Erster, drei Minuten zu spät, kam ein Mann in mittleren Jahren, ein
heller Mulatte mit einem imposanten Schnauzbart, der sich als Alberto
vorstellte. Er begrüßte die Frau des Chefs mit einem abfälligen Nicken und
verzog sich hinter den Verkaufstresen, wo er sich bückte und geschäftig alle
Schubladen aufriss, als suche er etwas Wichtiges. Fernanda kam es eher so vor,
als wolle er nicht gesehen werden. Dann erschien, mit siebenminütiger Verspätung,
ein tiefschwarzer und extrem blöde dreinschauender Jüngling namens Paulinho,
der für Auslieferungen sowie Packarbeiten im Lager zuständig war. Hinter ihm
eilte eine verhuschte Frau in den Laden, die den Kopf gesenkt hielt und
Fernanda nicht in die Augen sah, als sie sich miteinander bekannt machten. Ja,
Senhora, nuschelte die Frau, eine verhärmt wirkende Weiße mit einem grünlichen
Veilchen am Auge, sie sei die Leopoldina und bitte alleruntertänigst um
Verzeihung für ihre Verspätung, ihr Mann sei krank. Fernanda hatte den
Eindruck, dass es vielmehr Leopoldina war, die krank war, von ihrem
wahrscheinlich besoffenen Mann halb tot geprügelt. Schließlich kam, mit mehr
als einer halben Stunde Verspätung, der Kassierer, Bernardo, den Fernanda noch
von früher kannte. Zu seinen Pflichten gehörte es unter anderem, um Punkt halb
zehn das »Geöffnet«-Schild an der Tür anzubringen.
    »Drehen Sie das Schild ruhig um, Bernardo«,
sagte sie zu dem perplexen Mann, der an der Tür festgestellt hatte, dass jemand
ihm zuvorgekommen war. »Wir schließen für ein paar Minuten.«
    Fernanda hatte nun die ganze Aufmerksamkeit des
Personals. Auch Félix sah sie neugierig an.
    »Ich bin seit nicht einmal einer Stunde hier. In
dieser kurzen Zeit habe ich derartige Ungeheuerlichkeiten beobachtet, dass es
mir nur richtig erscheint, ein paar Dinge aufzuklären, bevor die Kunden kommen.
Erstens: Ihre Arbeitszeit ist von neun bis sieben, nicht von zehn nach neun
oder gar halb zehn bis um kurz vor sieben. Sie alle werden heute Abend Ihre
Verspätung abarbeiten. Senhor Alberto verlässt den Laden nicht vor drei nach
sieben, Paulinho und Dona Leopoldina nicht vor sieben nach sieben und der
verehrte Senhor Bernardo erst um halb acht. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Paulinho, Leopoldina und Bernardo nickten, doch
Alberto sagte in verärgertem Ton: »Dann werde ich meine Bahn nach Tijuca
verpassen.«
    »So, werden Sie das? Weil Sie drei Minuten später
den Laden verlassen? Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihre Bahn vielleicht
schon um Viertel vor sieben abfährt? Oder noch früher? Nun, dann sollten Sie
sich ab sofort die späteren Abfahrtszeiten heraussuchen.«
    Alberto starrte sie rebellisch an.
    »Des Weiteren bestehe ich darauf, dass Sie lächeln,
selbst wenn Ihnen etwas nicht passt. Das gilt auch für die anderen.«
    Die drei Angestellten, die sich bereits diebisch
über diese Gardinenpredigt gefreut hatten, die der verhasste Verkäufer über
sich ergehen lassen musste,

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