Ana Veloso
unterstützt durch den Konsum hochprozentiger Spirituosen, die
spontane Seelenverwandtschaft, die sie aneinander entdeckt zu haben glaubten,
die losen Reden Leóns und die ausgelassene Stimmung. In einem wilden
Kauderwelsch aus Portugiesisch, Italienisch und Französisch, durchsetzt von
einigen Brocken Latein, wie sie es alle aus der Kirche kannten, brüsteten sie
sich ihrer Heldentaten und ihrer Jugendsünden.
Als Mario und Pedro León nach seiner Zeit als
Sklavenbefreier ausfragten, erzählte dieser ihnen von den Menschen, die er
kennen gelernt hatte, von Schwarzen, die erst in Freiheit ihre Talente
entdecken und entwickeln konnten. Er führte den jungen Ronaldo als Beispiel an,
der heute ein hoch bezahlter Navigator auf Handelsschiffen war, den schmächtigen
Luizão, der sich als Geigenbauer einen Namen gemacht hatte, und natürlich Lili.
»Eine Schweinehirtin war sie, hässlich noch
dazu, aber mit einem selten guten Geschäftssinn gesegnet – heute besitzt sie
das bekannteste Hurenhaus Rios. Dort müsse sie auch nur Schweine hüten, sagt
sie.«
León, Pedro und Mario schlugen sich vor Lachen
auf die Schenkel. »Lasst uns doch mal den Laden von Lili aufsuchen«, schlug
Mario vor. »Bestimmt ist sie ein spannendes Forschungsobjekt.« Doch Pedro, der
noch nicht alle Moral in Schnaps ertränkt hatte, war dagegen. »Ich gehe nicht
in solche Etablissements. Ich brauche das nicht, ich habe schließlich zu Hause
die Beste aller Ehefrauen.«
»Mein Gott, Pedro, musst du immer so altväterlich
daherkommen?«, fluchte León. »Wir wollen doch nur Lili Hallo sagen, uns mal
umschauen, einen Brandy trinken. Mehr nicht. Nach höchstens einer halben Stunde
wechseln wir die Lokalität.«
»Versprochen?«
»Ehrenwort.«
»Und kein Wort zu Joana oder zu Vita.«
»Keine Silbe.«
»Also schön.«
Im Goldenen Schmetterling begrüßte man León wie
einen Stammkunden, was Pedro entsetzte. Pedro sah sich genötigt, dieser Lili
die Hand zu geben, einer ruchlosen Person von so gewöhnlichem Aussehen, dass es
ihm die Sprache verschlug. Solchen Leuten hätten sie auf Boavista nicht einmal
die Schweine anvertraut. Er nahm auf einem Sessel in der verstecktesten Ecke
Platz und steckte die Nase tief in sein Brandyglas, um nicht die unvollständig
bekleideten Frauenzimmer ansehen zu müssen. Doch Mario, der einen Sessel
herangeschoben und sich zu ihm gesetzt hatte, schien sich nicht im Geringsten
daran zu stören, dass ein Mädchen es sich auf seinem Schoß bequem machte und
ihn befummelte. Er plauderte in einem Ton, wie er ihn auch in einem Café in
Gesellschaft angesehener Matronen gebraucht hätte.
»Das war ein sehr spannender und lehrreicher
Tag. Wenn León mich weiter so durch die Gegend schleift, bin ich in ein paar
Tagen ein Wrack. Ich weiß nicht, woher er diese Energie nimmt.«
»Er würde
besser einen Teil davon zu Hause verbrauchen.«
»Also, ich hatte vorhin den
Eindruck, dass er ...« Mario hielt rechtzeitig den Mund. Brüder schöner Frauen
hörten so etwas nicht gern. Das war in Brasilien ganz gewiss nicht anders als
in Italien.
Pedro sah Mario skeptisch an. Als Künstler hätte
er eigentlich eine bessere Beobachtungsgabe besitzen müssen.
Nach einigen Sekunden brach Mario das ungemütliche
Schweigen.
»Weißt du, Pedro, es ist gut, dass wir heute
Nacht um die Häuser ziehen. Morgen wird es regnen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Meine Narbe auf der Brust. Sie zwickt mich
immer, wenn ein Wetterumschwung naht.«
Das Mädchen machte sich sogleich daran, Marios
Hemd aufzuknöpfen und die Narbe zu untersuchen.
»Ich glaube nicht, dass deine Narbe in Brasilien
zuverlässig funktioniert. Die thermischen und meteorologischen Bedingungen sind
hier ganz andere als in Europa.«
»Doch, doch! In Südafrika haben meine
Wettervorhersagen auch immer gestimmt.«
»Komisch. Meine Narbe am Oberarm macht sich
nicht so nützlich. Sie pocht nur immer, wenn ich mich körperlich anstrenge.«
Das Mädchen auf Marios Schoß schien vom Inhalt dieser Konversation gelangweilt.
Es stand auf, stellte sich dabei aber so ungeschickt an, dass es die Gewalt über
sein Glas verlor. Ein Schwall bräunlicher Flüssigkeit ergoss sich über Pedros
Hemd.
»Pass doch auf, du Trampel!«, rief er aus, während
er ein Taschentuch aus der Hosentasche beförderte. Das Mädchen nahm ihm das
Tuch ab und betupfte damit Pedros Hemdbrust.
»Nimm deine dreckigen Finger von mir, Himmel
noch mal!« Er schob unwirsch das Mädchen von sich fort.
Mario sah
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