Ana Veloso
Fach gebracht. Wir haben sein Land – und damit die größte
Fazenda des Vale do Paraíba.«
»Das ist fantastisch, Vater! Herzlichen Glückwunsch!
Lasst uns darauf anstoßen!« Pedro klingelte nach Félix, der eine weitere
Flasche Champagner aus dem Keller holen sollte. Es war nicht nötig, Pedros
Freunden die Hintergründe zu erklären. Sie hatten auch so begriffen, dass es
sich um den Erwerb weiteren Landes handelte, auf das die Familie da Silva
offenbar erpicht gewesen war.
Vitória schickte Miranda nach oben, um Dona Alma
dazuzubitten. Wenig später kam ihre Mutter die Treppe herabgerauscht, als habe
sie nie auch nur die geringsten Beschwerden gehabt. Sie trug ein graues
Seidenkleid und darunter, ganz gegen ihre Gewohnheit, einen roséfarbenen
Spitzenkragen. Es stand ihr gut, hob es doch die Blässe ihrer Haut und ihre
schlanke Taille vorteilhaft hervor. Die kleine Gesellschaft hatte noch immer
hinter den Stühlen im Esszimmer gestanden, doch nachdem Dona Alma eingetroffen
und ein Toast auf das gute Geschäft des Vaters sowie die Gastfreundschaft der
da Silvas ausgesprochen war, nahmen alle ihre Plätze ein. An den Kopfenden saßen
Vitórias Eltern, an einer Längsseite des Tisches saß Vita zwischen Aaron und João
Henrique, an der anderen Pedro neben León. Im Türrahmen warteten Miranda und Félix
auf ihren Einsatz. Vitória nickte ihnen zu. Es konnte aufgetragen werden.
Dona Alma ließ es sich nicht nehmen, ein kurzes
Gebet zu sprechen, während bereits die Vorspeise vor ihnen dampfte, ein
schaumiges Süppchen aus Spargelspitzen und Flusskrebsen. Luiza konnte wirklich
zaubern! Wo hatte sie den Spargel her, von dem heute Morgen noch keine Rede
gewesen war? Ob Pedro ihn aus Rio mitgebracht und unbemerkt in die Küche geschmuggelt
hatte? Sie sah ihren Bruder an und wusste, dass sie ins Schwarze getroffen
hatte. Sein bedeutungsschwangeres Lächeln verriet ihn.
Während des Essens unterhielt sich Dona Alma
angeregt mit João Henrique, der zu ihrer Linken saß, und Eduardo da Silva
beantwortete geduldig die Fragen über die Fazenda, die Kaffeeproduktion und die
Sklaven, die León ihm stellte. Niemand außer Vitória merkte, mit wie wenig
Appetit Aaron seine Suppe löffelte und dass er die Krebse auf dem Boden der
Schale liegen ließ. Sie verkniff sich einen Kommentar. Doch als der Hauptgang
aufgetragen wurde, sah Aaron sie betreten an.
»Der Braten sieht wunderbar aus. Aber bitte
verzeihen Sie mir, wenn ich nichts davon esse.«
Vitória begriff noch immer nicht. Was war falsch
damit? Luiza hatte den Braten mit Dörrpflaumen und Maronen gefüllt, lauter
importierten Delikatessen, und er sah ebenso köstlich aus, wie er duftete.
Pedro räusperte sich. »Sein Glaube verbietet es
ihm, Schweinefleisch zu essen. Es ist mein Fehler, ich hätte es dir rechtzeitig
sagen sollen.«
Vitória ging ein Licht auf. Um Gottes willen,
was für eine unmögliche Situation! Schon als sie Aarons Namen hörte, hätte sie
darauf kommen und gleich etwas unternehmen können.
»Machen Sie sich um meinetwegen keine Gedanken,
liebe Vita. Ich werde auch von den Beilagen satt.«
»Aber nein! Ich werde mal sehen, was sich so
kurzfristig noch machen lässt. Essen Sie Huhn und Rindfleisch?«
Aaron nickte, und Vitória sprang von ihrem Stuhl
auf, um in die Küche zu gehen. Aaron wollte sie davon abbringen, aber sie war
schon unterwegs. Es war ihm sichtlich peinlich,
dass er mit seinen Essgewohnheiten nun im Mittelpunkt der Runde stand. Prompt
wurde er von Dona Alma mit Fragen über seine Herkunft und seine Religion
bombardiert, und je mehr er erzählte, desto mehr, so schien es ihm jedenfalls,
verdüsterte sich ihr Blick.
Pedro hatte denselben Eindruck. In diesem
Augenblick schämte er sich seiner Mutter, die mit ihren bornierten Ansichten so
gar nicht in das ausgehende Jahrhundert und in dieses aufgeschlossene Land
passen wollte.
»Ist es nicht wunderbar, in einem Land zu leben,
in dem so viele Nationalitäten, Religionen, Kulturen und Hautfarben zu einem
einzigen Volk verschmelzen? Diese Vielfalt gibt es wohl nur in Brasilien!«
Dona Alma schien seine Meinung nicht zu teilen,
enthielt sich aber eines Kommentars.
»In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es
das auch«, widersprach León.
»Waren Sie schon einmal dort?«, fragte Eduardo.
»O ja, viele Male.« Dann erzählte León ausführlich
von seinen Besuchen in Washington, von seinen Begegnungen mit Politikern
und von der derzeitigen Situation der Schwarzen,
die schon
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