Ana Veloso
befreite Pedro von
seiner Entscheidungsunlust. Es ärgerte ihn, dass er ausgerechnet jetzt gestört
wurde, doch gleichzeitig freute ihn die Aussicht auf Ablenkung von seinen trübsinnigen
Gedanken. Vielleicht war es Aaron, oder João Henrique. Sie könnten zum Zirkus
gehen, der ganz in der Nähe gastierte, und sich dessen Hauptattraktion ansehen,
die angeblich »dickste Frau der Welt«. Joana mochte er das nicht zumuten.
Aber an der Tür stand eine junge Schwarze.
»Ja bitte?«
»Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten.«
»Wer sind Sie? Worum geht es?« Pedro fielen
sofort all die Geschäfte ein, in denen er hatte anschreiben lassen. Aber dass
sie jetzt schon Frauen schickten, um die Schulden einzutreiben, erschien ihm
sehr unwahrscheinlich.
»Sinhô Pedro? Erkennen Sie mich nicht? Ich bin
Miranda. Von Boavista.«
Vage erinnerte sich Pedro an ein Mädchen, das so
geheißen hatte. Es war erst nach Boavista gekommen, als er schon ausgezogen war
und in Rio lebte. Er hatte diese Miranda nur bei seinen seltenen Besuchen im
Vale gesehen und auch dann nicht bewusst wahrgenommen. Bestimmt wollte sie gar
nichts von ihm, sondern von Vita.
»Meine Schwester lebt nicht in diesem Haus. Sie
finden sie ...«
»Nein, ich möchte mit Ihnen reden. In einer geschäftlichen
Angelegenheit.«
Pedro zog die Augenbrauen zusammen, bat die Frau
aber herein. Sie nahmen im Salon Platz. Pedro bot ihr nichts zu trinken an.
Eine ungute Vorahnung hatte sich seiner bemächtigt.
Miranda kam gleich zur Sache. Sie zog ein
Taschentuch mit Pedros Monogramm aus der Tasche und legte es auf den Sofatisch.
»Das haben Sie verloren. Im Goldenen Schmetterling.«
Pedro schwieg. Er dachte fieberhaft darüber
nach, wie diese Person an sein Taschentuch gekommen sein mochte, bis ihm plötzlich
ein Licht aufging. Miranda war das Mädchen auf Marios Schoß gewesen! Sie musste
ihr Getränk absichtlich auf seinem Hemd verschüttet haben.
»Es tut mir Leid, Mädchen, dass du so tief
gesunken bist und einem so, ähm, so hässlichen Gewerbe nachgehen musst. Wenn
ich dir in irgendeiner Weise helfen kann«
»Mir macht meine Arbeit Spaß. Und ja, Sie können
mir helfen:
Mit einhunderttausend Reis – für mein Schweigen.
Sinhá Joana wird bestimmt nicht gerne hören wollen, wo sich ihr Mann nachts
herumtreibt.«
»Ich könnte das Taschentuch auf der Straße
verloren haben, wo es jeder hätte auflesen können. Es beweist gar nichts.«
»Ein komischer Zufall, nicht wahr, dass
ausgerechnet eine ehemalige Sklavin von Boavista dann das Tuch gefunden hat.«
»Tja, wie das so ist im Leben – manchmal
passieren die unglaublichsten Zufälle. Im Übrigen könnte gerade deine Zeit auf
Boavista erklären, wie du in den Besitz des Taschentuchs gekommen bist: Du könntest
es damals gestohlen haben.«
»Es ist fast neu. Und die Initialen darauf sehen
mir ganz danach aus, als seien sie von einer liebenden Ehefrau darauf gestickt
worden.« Genau so war es auch. Joana hatte Freude am Handarbeiten, strickte für
Kinder anderer Leute massenhaft Söckchen und anderen Firlefanz, häkelte Bordüren
für Küchenregale oder bestickte ihre Blusen mit Blumenmustern. Letzte
Weihnachten hatte sie ihm ein halbes Dutzend dieser selbst bestickten Taschentücher
geschenkt. »Kannst du dir kein anderes Opfer für deine Erpressung suchen?«
»Wer
sagt denn, dass Sie der Einzige sind?«
»Aber bestimmt der Ärmste. Aus mir ist nicht
viel herauszuholen. Vielleicht ist es dir bereits entfallen, aber seit die
Sklaverei beendet wurde und ihr schwarzes Pack es so eilig hattet, die Fazendas
im Vale zu verlassen, ist es aus mit dem Reichtum der Kaffeebarone.«
»Die
Sinhazinha ist reich.«
»Wende dich doch direkt an sie. Meine Schwester
wird bestimmt nicht davor zurückschrecken, dir eins mit der Reitpeitsche überzuziehen.
Sie hatte noch nie viel für Verbrecher übrig.« Pedro stand auf, ging zur Tür
und hielt sie weit auf, bevor er fortfuhr: »Vergiss es, Mädchen. Verlass jetzt
auf der Stelle dieses Haus, bevor ich die Polizei rufe.«
Miranda blieb sitzen. »Vielleicht interessiert
sich Sinhá Joana ja auch für die Narbe an Ihrem Oberarm, die immer anfängt zu
pochen, wenn Sie sich zwischen meinen Schenkeln Ihrer Wollust hingeben.«
Die Narbe ...? Zum Teufel auch, diese Person
musste das Gespräch zwischen ihm und Mario belauscht haben, in dem er davon erzählt
hatte! Pedro stürmte erbost auf Miranda zu, zerrte sie vom Sofa und schlug ihr
mit voller Wucht ins Gesicht.
Miranda
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