Ana Veloso
verzog keine Miene.
»Damit erhöht sich der Preis auf einhundertfünfzigtausend.«
In der darauf folgenden Woche war Pedro
unkonzentriert, fahrig und mürrisch. Bei der Arbeit unterliefen ihm unzählige
kleine Fehler, auf die sogar schon sein Vorgesetzter aufmerksam wurde. Wenn das
so weiterginge, würde er nicht nur seine Frau, sondern auch seine Arbeit
verlieren. Zu Hause sprach Pedro kein Wort mehr als nötig. Er mied Joanas
besorgte Blicke ebenso wie die Treffen mit seinen Freunden. Er dachte an nichts
anderes als daran, wie er das Geld beschaffen sollte, um die Erpresserin ein für
alle Mal loszuwerden. Der rettende Einfall kam ihm am Sonntag beim
Gottesdienst. Er würde León aufsuchen! León konnte – falls das jemals, Gott
bewahre!, nötig werden sollte – bezeugen, dass er, Pedro, im Goldenen
Schmetterling nur in der Ecke gesessen und etwas getrunken hatte. Vor allem
aber konnte León mit dieser Bordellbesitzerin sprechen, die wiederum die Macht
hatte, Miranda vor die Tür zu setzen. Dass eines ihrer Mädchen die Kunden
erpresste, war ganz gewiss nicht im Sinne dieser Person. Warum hatte er nicht
schon früher daran gedacht? War er wirklich zu gut für diese Welt, wie Joana
manchmal behauptete? Hatten seine Gutmütigkeit, sein Anstandsgefühl und sein
Respekt für Joana ihn derart mit Blindheit geschlagen? Was für ein Trottel er
doch war, dass er acht Tage gebraucht hatte, um die einfachste Lösung zu
erkennen!
Pedro hatte von der Predigt nichts mitbekommen,
aber als alle in der Kirche aufstanden und »Amen« sagten, fiel er freudig in
den Chor mit ein.
Wenig später überraschte er Joana mit seiner
guten Laune sowie dem Vorschlag, heute doch einmal Vita und León einen
spontanen Besuch abzustatten.
»Aber Pedro, ich wollte so gern mit dir in den
Zirkus gehen! Nächste Woche wird er schon nicht mehr da sein – dann können wir
uns gar nicht mehr die dickste Frau der Welt ansehen.«
»Sehen wir uns lieber
die reichste Frau Rios an. Wir fahren viel zu selten nach Glória.«
Im Haus seiner Schwester herrschte Hochbetrieb.
Dona Alma hatte Besuch von mehreren Damen, die, genau wie sie selber, nach dem
Tod der Ex-Kaiserin Teresa Cristina Trauer trugen, allerdings dabei sehr fröhlich
wirkten. Eduardo hatte ebenfalls einen Gast, mit dem er sich ins Herrenzimmer
verzogen hatte. Er stellte den Mann knapp als einen Professor Dr. Pacheco vor
und machte deutlich, dass sie nicht gestört zu werden wünschten.
»So viel zu der Freude, dir wir meinen Eltern
mit unserem Besuch bereitet haben.« Pedro zwinkerte Joana zu und versetzte sie
damit, nicht zum ersten Mal heute, in Erstaunen. Er wirkte fast wieder wie ihr
alter Pedro.
Pedro und Joana gesellten sich zu Vitória, die
in ihrem Arbeitszimmer saß und die Zeitung vom Vortag las. Die Füße hatte sie, als
die Tür direkt nach dem Klopfen aufgerissen worden war, schnell vom Tisch
genommen.
»Vor uns brauchst du nicht so zu tun, als wärst
du eine Dame.« Pedro umarmte seine Schwester stürmisch, wie er es seit Monaten
nicht getan hatte. Prompt sprang Sábado von seinem Teppich auf und lief
aufgeregt wedelnd um die beiden herum.
»Warum habt ihr euch nicht des Telefons bedient,
um euren Besuch anzukündigen? Ich hätte einen Burschen zur Patisserie
geschickt, um uns ein paar feine Törtchen zu holen.«
Vitória betrachtete ihren Bruder genauer. »Du
scheinst uns ja etwas besonders Wichtiges mitteilen zu wollen, wenn du es schon
nicht am Telefon sagen wolltest.« Sie vermutete, dass Joana schwanger war.
Welchen anderen Grund hätten die beiden gehabt, hier unangemeldet aufzukreuzen
und so fröhliche Gesichter zu machen?
»Nein, es liegt gar nichts Besonderes an. Wir
dachten nur, dass wir euch viel zu selten zu Gesicht bekommen. Wo steckt
eigentlich León?«
Vitória sah auf die Wanduhr. »In spätestens zwei
Stunden müsste er zurückkommen. Zum Abendessen wollte er hier sein. Habt ihr so
lange Zeit? Habt ihr Lust, eine Runde Rommee zu spielen?«
»Aber nur, wenn du
noch Törtchen beschaffst.«
Beim Kartenspiel vergaßen sie die Zeit. Vitória
gewann eine Runde nach der anderen, Pedro aß drei Törtchen und riss mit vollem
Mund Witze über seine Gefräßigkeit, und Joana dachte unentwegt darüber nach,
wieso ihr Mann plötzlich so aufgekratzt war. »Ein Törtchen hättest du mir
wenigstens übrig lassen können!« Keiner hatte gemerkt, dass León an der Tür
stand. Er reichte dem Mädchen seinen Mantel und seinen Hut, bevor er die Frauen
mit Küsschen
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