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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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sowie,
ausnahmsweise, ihre Brille. Eufrásia war mit ihr zu der Veranstaltung gekommen –
sie wollte sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, den Schwarm ihrer Freundin
kennen zu lernen. Als León seine Rede beendet hatte, zog Eufrásia aufgeregt am Ärmel
von Vitórias Samtjacke: »Komm, Vita, lass uns nach vorn gehen. Du musst ihn mir
unbedingt vorstellen. Mein Gott, man kann gar nicht glauben, dass jemand, der
so fantastisch aussieht, so unmögliche Ansichten vertritt!«
    Aber Vitória blieb, wo sie war. Eine bildschöne
Mulattin, kaum älter als sie selber, war zu León geeilt und hatte ihm ein Glas
Wasser gereicht. Sie war gut gekleidet und trug Schuhe. Er nahm ihr das Glas
ab, ergriff ihre Hand und riss triumphierend ihren Arm hoch. Erneut brandete
Applaus auf, vereinzelt hörte man missbilligende Pfiffe. León und das Mädchen
verharrten eine Weile in ihrer Siegerpose, bevor sie das Podest verließen. León
gab der Mulattin den Vortritt, indem er ihr eine Hand auf den Rücken legte und
sie sacht nach vorn schob, ganz so, wie ein Kavalier sich gegenüber einer Dame
verhalten würde. Vitória drehte sich bei dem Anblick der Magen um. Erst sehr
viel später kam sie darauf, dass es sich bei dieser Geste auch um politisches
Kalkül gehandelt haben konnte, um eine Demonstration seiner Anerkennung der
Rechte der Schwarzen. Doch auf dem Platz in Conservatória hatte sie nur einen
Gedanken: Er zog diese mulata ihr vor – und besaß die Unverfrorenheit,
seine Mätresse in aller Öffentlichkeit zu präsentieren!
    Als León am späten Nachmittag auf Boavista
eintraf, wie er es zuvor in einem Brief angekündigt hatte, war er allein. Vitória
beobachtete ihn aus ihrem Schlafzimmerfenster. Sie hatte Miranda aufgetragen,
ihm zu erklären, dass die Sinhazinha wegen eines tragischen Unfalls in der
Nachbarschaft nicht zu Hause sei. Als er Miranda fragte, wo sich denn dieser
Unfall ereignet habe, verhaspelte sich das Mädchen. León hinterließ eine
Nachricht, ritt davon und zog wie zum Gruß seinen Hut, ohne sich auch nur ein
einziges Mal umzudrehen. Er wusste, dass er beobachtet wurde.
    Vitória lief so schnell sie konnte nach unten
und las die Notiz: Vita, Sie wollen mich doch nicht etwa vorschnell aus der
Sklaverei entlassen? León. Sie zerriss den Zettel und warf die Schnipsel wütend
auf den Boden der Halle. Was für ein dummes Spiel! Schluss damit, ein für alle
Mal. Vitória hatte keine Lust mehr, sich von León mit seinem sonderbaren Humor ärgern
zu lassen.
    Am nächsten Tag bereute sie ihre Reaktion
zutiefst. Ihr Vater hatte am Rand des arg dezimierten Grundstücks der Soares
ein Rind gehört, das im Todeskampf brüllte, und war, was er unter anderen Umständen
nie getan hätte, zur Fazenda Florença geritten. Im Gespräch mit Dona Isabel
hatte sich dann schnell herausgestellt, dass die Töchter mit ihrer geplanten
Reise nach Rio ganz andere Ziele verfolgten als die, die sie ihren Eltern
genannt hatten. Zurück auf Boavista hatte Senhor Eduardo seinem Zorn Luft
gemacht und Vitória strenger bestraft als je zuvor in ihrem Leben.
    Padre Paulo holte Vitória zurück in die
Gegenwart.
    »Ich habe den Eindruck, dass du mehr in dem Mann
siehst als er in dir. Es ist nicht mehr als jugendliche Schwärmerei, du wirst
ihn bald vergessen. Viel bedenklicher scheinen mir dein Stolz, deine Eitelkeit
und dein mangelnder Respekt vor deinen Eltern zu sein. Auch mit der Wahrheit
nimmst du es nicht so genau.«
    Vitória unterbrach ihn.
    »Padre Paulo, so ehrlich wie heute war ich Ihnen
gegenüber noch nie. Ich gehe davon aus, dass ich mich auf Ihre Verschwiegenheit
verlassen kann.«
    »Vita! Was sind das für ungeheuerliche Worte! Du
weißt, dass das Beichtgeheimnis heilig ist.«
    »Natürlich, Padre, natürlich. Entschuldigen Sie
bitte.«
    »Zur Buße für deine Sünden sollst du in den
verbleibenden Tagen deines Hausarrests jeden Abend in der Kapelle zu unserem
Herrgott beten. Zwei Dutzend Vaterunser und zwei Dutzend Ave Maria – und bleibe
in Gedanken beim Inhalt dieser Gebete, gestatte dir keine Träumereien. Nächsten
Sonntag wirst du mir berichten, welche weiteren Anstrengungen du unternommen
hast, um diesen Mann zu vergessen.«
    Der Padre sprach die abschließenden Worte der
Segnung und entließ Vitória aus der Beichte. Sie schob den schweren, samtenen
Vorhang beiseite. Das Sonnenlicht, das durch die oberen Fenster in die Kapelle
fiel, blendete sie. Als sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah
sie Dona Alma,

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