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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Kleid war aus
mittelgrüner Seide und im Grunde ganz einfach geschnitten. Aber es war alles
andere als schlicht. Am Rock waren unzählige Blätter aus gestepptem Satin
befestigt, zwischen denen kleine weiße Blüten und knallrote Kirschen
hervorlugten. Allein die Fertigung der Blüten hatte die Näherin mindestens eine
Woche Arbeit gekostet, und für die Kirschen, die aus winzigen seidenen Pompons
bestanden, hatte sie eine weitere Woche gebraucht. Durch diese Applikationen
erhielt der Rock ein Volumen, das Vitórias schlanke Taille noch mehr hervorhob.
Am Mieder des Kleides waren dagegen keine Blätter, Blüten oder Früchte
befestigt, denn das hätte aufgetragen und wäre beim Tanzen hinderlich gewesen.
Stattdessen war es über und über bestickt. Diese äußerst knifflige Arbeit hatte
eine Frau in Valença übernommen, die bekannt war für ihre filigranen
Stickereien. Auch die grünen Handschuhe, die Vitória bis über die Ellbogen
reichten, waren mit Blüten und Kirschen bestickt. Dona Alma hatte sich
einverstanden erklärt, Vitória wieder ihren Rubinschmuck zu leihen, der das
Kostüm perfekt ergänzte. Auf dem Kopf würde Vitória einen komplizierten Aufbau
aus handgearbeiteten und echten Kaffeezweigen tragen und im Gesicht eine grüne
Augenmaske, deren Ränder rot und weiß bestickt waren und an deren Seiten kleine
Kaffeezweige herausragten.
    Bis auf ihren Kopfschmuck, den sie erst am Tag
der Feier bekommen würde, war alles fertig. Vitória hatte ihr Kostüm und die
dazugehörigen Accessoires erst einmal zuvor angelegt, um die Wirkung des
Gesamtensembles zu prüfen. Sie war in dieser Montur in den Salon getänzelt, in
dem sie ihre Eltern vermutete. Außer Dona Alma und Senhor Eduardo war
allerdings auch der Rechtsanwalt, Doutor Nunes, anwesend. Alle drei hatten Vitória
angestarrt wie eine überirdische Erscheinung, bis schließlich Dona Alma das
Schweigen gebrochen hatte: »Man sollte nicht glauben, dass du wirklich schon
achtzehn Jahre alt wirst.« Aber ihr Vater lenkte ein: »Vita, das Kostüm ist
sagenhaft!« Und Doutor Nunes sagte schließlich: »Unfassbar, was für herrliche
Pflanzen auf dieser Fazenda gedeihen.«
    Jeden Augenblick mussten Joana und Pedro
eintrudeln. Vitória konnte ihre Ankunft kaum erwarten, und vor Aufregung
trippelte sie ungeduldig im Haus herum. Viel tun konnte sie jetzt ohnehin
nicht. Alles, was vorzubereiten war, hatte sie für heute erledigt. Im Laufe des
Tages würde nur noch das Eis geliefert werden, ein so enormer Eisbrocken aus
Nordamerika, dass selbst der lange Schiffstransport nach Brasilien und die
Fahrt durch die glühenden Hügel der Provinz seinen Umfang nur geringfügig schmälern
würden. Im Keller hatten sie eigens eine Ecke mit Wachstuch ausgelegt, in der
das Eis gelagert werden würde – und wenn sie bei dem Fest nicht alles verbrauchten,
würde das Eis dort noch mehrere Wochen halten. Wie sehr sie sich auf den Genuss
von eisgekühlten Getränken freute, auf den Klang klirrender Eisstücke im Glas
und auf den Anblick exquisiter Speisen, die auf geschabtem Eis präsentiert
werden sollten! Und wie herrlich wäre es erst, am nächsten Tag ihre wunden Füße
und den schweren Kopf – denn mit derartigen Nachwirkungen musste man ja rechnen
– mit kleinen Eisstücken kühlen zu können, die auf der sommerheißen Haut sofort
schmolzen! Diesen Luxus wollte Vitória mit allen Sinnen auskosten, denn mit
weiteren Eislieferungen wäre dann erst wieder im Juli zu rechnen, wenn der
Winter in Chile Einzug hielt.
    Bei ihrem Rundgang sah Vitória, dass der
wacklige Stuhl aus dem Schlafzimmer ihrer Mutter, genau wie alle anderen
Sitzgelegenheiten, die im Haus aufzutreiben gewesen waren, in den Salon
gebracht worden war. Wenn sich nun der dicke Senhor Alves daraufsetzte? Der
Stuhl würde doch unter dieser Last zusammenbrechen!
    »Miranda!«
    Das Mädchen kam aus dem Nebenraum.
    »Ja, Sinhá Vitória?«
    »Sorg dafür, dass dieses klapprige Möbel hier
weggeschafft wird. Hier, siehst du?«
    Vitória ließ sich mit Schwung auf das dunkelrote
Samtpolster fallen und juckelte auf dem Stuhl herum, der Besorgnis erregend
knackte und knarzte.
    »Er ist fast völlig aus dem Leim. Der Stuhl trägt
ja schon mich kaum. Stell dir vor, was passiert, wenn sich Senhor Alves darauf
niederlässt.«
    Miranda kicherte. »Das geschähe ihm ganz recht.«
    »Bitte!« Aber Vitória konnte sich ein Lächeln
nicht verkneifen. Ja, das geschähe ihm ganz recht. »Wahrscheinlich wird er
sowieso nicht sehr oft

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