Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
Vom Netzwerk:
an Vitórias
Rock.
    »Nun tretet doch ein«, drängte Dona Alma, die
ebenfalls am Eingang stand, um die Gäste zu begrüßen. Sie hatte sich als Zarin
kostümiert und mit dem Hermelin, unter dem sie in der Sommerhitze einzugehen
drohte, auch die stolze Haltung einer russischen Herrscherin angenommen. Sie
hatte keinen Sinn für die Art von Humor, die die Eheleute Alves an den Tag
legten. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte das Fest unter einem Motto
standen, das einen jeden Gast dazu zwang, sich fürstlich herauszuputzen.
    Ein Schwarzer, der, wie alle anderen Sklaven
auch, als Mohr verkleidet worden war – alle trugen rot-grüne Turbane, rote
Schnabelschuhe, grüne Pluderhosen und ein rot-grün gestreiftes Wams –, kam mit
einem Tablett vorbei, auf dem mit Champagner, Wein, Wasser und Fruchtsäften gefüllte
Gläser standen. Die Alves nahmen sich je ein Glas Champagner und prosteten sich
sowie ihren Gastgebern zu. Dann entdeckten sie das Büfett, das sie sogleich
begutachteten.
    »Diese Leute sind schrecklich«, beschwerte sich
Dona Alma. »Ich kenne sie seit fast dreißig Jahren, und sie werden von Jahr zu
Jahr infantiler.«
    »Mãe, es ist Karneval. Lassen Sie sie doch.«
    Zum Glück nahmen in diesem Moment Esmeralda und
ihr Glöckner, deren wahre Identität Vitória nicht auf Anhieb erkannte, Dona
Alma in Beschlag. Und dann kamen, wie auf ein heimlich verabredetes Signal hin,
plötzlich alle auf einmal. Eufrásia, als Madame Pompadour verkleidet, mit ihrem
Sonnenkönig Arnaldo; Rogério, der als Christopher Columbus eine ausgesprochen
gute Figur machte; die Witwe Almeida als älteste und hässlichste Cinderella,
die man sich nur denken konnte; Edmundo, der das einzig Schöne an ihm, seinen
schlanken Körper, unter einer Mönchskutte verbarg; João Henrique de Barros
nebst seinem Vater, die beide als portugiesische Fregattenkapitäne auftraten;
Florinda, eine Bekannte aus Schulzeiten, die sich als Johanna von Orléans
verkleidet hatte; der Notar Rubem Leite mit seiner Frau, er in Ritterrüstung,
sie als Burgfräulein; die Sobrals, die sich und ihre vier halbwüchsigen Kinder,
passend zu ihrer Säulenvilla, wie eine Familie aus dem nordamerikanischen
Virginia der Dreißigerjahre kostümiert hatten; Pedros Vorgesetzter, der comissionista Fernando Ferreira, als hängebackiger Musketier; Rubem Araújo und seine
schwangere Frau Isabel, beide als arabische Scheichs gewandet, wohl um von
ihrem Zustand abzulenken; der Arzt Doutor Vieira in der einfallsreichen
Verkleidung eines Arztes, aber immerhin eines mittelalterlichen; Aaron
Nogueira, der sich einigermaßen überzeugend als Chinese zurechtgemacht hatte;
und Pedros Kollege Floriano de Melo mit seiner Frau Leonor als ärmere, aber
zumindest historisch korrekte Ausgabe von Ludwig XV. und Madame Pompadour.
    Es war ein riesiges Durcheinander, aber alle
waren bester Laune, und die wirre Mischung an Verkleidungen sorgte allenthalben
für große Belustigung. Vitória hatte als Kaffeestrauch das mit Abstand aufwändigste
und fantasievollste Kostüm, und sie wurde mit Komplimenten überhäuft. In dem
allgemeinen Trubel fiel niemandem auf, dass sie allmählich nervös wurde.
    Himmel, sie war wirklich eine dumme Gans! Sie
hatten für acht Uhr eingeladen, und jetzt war es gerade mal neun. Es fehlten
noch diverse Gäste, es gab also keinerlei Grund zur Beunruhigung. Richtig gut würde
das Fest sowieso erst später werden, wenn alle gegessen und genügend Alkohol
konsumiert hatten, wenn die Alten sich zurückzogen und das Jungvolk endlich
hemmungslos tanzen und flirten konnte.
    »Vita, du bist ein hinreißender Kaffeestrauch!
Aber gib zu, dass ich auch nicht schlecht bin – jedenfalls deutlich eleganter
als diese Senhora de Melo.«
    »Du siehst hinreißend aus, Eufrásia. Und Arnaldo
sieht unwahrscheinlich lebendig aus.«
    »Wie, lebendig?«
    »Wusstest du nicht, dass der Sonnenkönig, Ludwig
XIV., schon lange tot war, als Madame de Pompadour zur königlichen Mätresse
wurde? Zu der seines Sohnes ...«
    »Was spielt das schon für eine Rolle?
Hauptsache, wir sehen gut aus, nicht wahr? Apropos: Wer ist dieser Bursche in
dem verrückten Kostüm mit den Flügeln? Er ist unglaublich attraktiv.«
    »Das ist Carlos, der Bruder meiner Schwägerin in
spe. Er ist Ingenieur und macht Flugexperimente. Stell dir das mal vor: Der
Mann ist hoch gebildet, glaubt aber trotzdem daran, dass der Mensch eines Tages
fliegen kann – in Flugmaschinen.«
    »Was für ein Spinner! Tja, wenn ich es mir

Weitere Kostenlose Bücher