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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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hatte, gingen Joana und Vitória zeitig auf
ihr Zimmer. Sie wollten sich gegenseitig ihre Kostüme vorführen und überprüfen,
ob daran noch irgendetwas verbesserungswürdig war. Joana zog eine endlose
Stoffbahn aus goldfarbener Seide aus ihrem Koffer und wickelte sie sich um den
Körper.
    »Du willst doch nicht als Haremsdame gehen,
oder?«, fragte Vitória. »Ich glaube, damit würdest du bei Dona Alma keinen sehr
guten Eindruck machen.«
    »Nein, warte ab.« Joana legte die Seide um ihren
Kopf, dann ging sie zum Frisiertisch. »Hast du etwas Lippenrot?«
    »Ja, in dem silbernen Tiegel rechts neben dem Spiegel.«
    Als Joana sich wieder umdrehte, erkannte Vitória
das Kostüm. Joana hatte sich einen roten Punkt auf die Stirn gemalt, gleich
oberhalb der Nase.
    »Ihr geht als Maharani und Maharadscha!«
    »Du hast es erraten. Wenn ich zu dem Sari die
Sandalen und den Goldschmuck trage und mir die Augen schwarz umrande, wirst du
mich für eine echte Inderin halten. Und Pedro mit seinem Turban und dem Säbel
wirkt erst recht wie ein waschechter Maharadscha.«
    »Wunderbar! Wie seid ihr darauf gekommen?«
    »Wusstest du nicht, dass meine Familie früher in
der Kolonie Goa gelebt hat? Wir haben zu Hause eine ganze Kiste voll mit
Kleidung, Zierrat, Schmuck, Musikinstrumenten und Nippes aus Indien. Meine
Eltern kommen auch in indischen Verkleidungen.« Vitória war neugierig auf
Joanas Eltern, Pedros zukünftige Schwiegereltern. Sie würden morgen anreisen
und ebenfalls auf Boavista übernachten. Noch viel gespannter war sie allerdings
auf ein paar andere Gäste. Besser gesagt, auf einen.
    »Wen habt ihr denn sonst noch eingeladen, du und
Pedro? Kenne ich jemanden davon?«
    »Pedros Freunde werden kommen, die kennst du ja
bereits. Ich selber habe außer meiner Familie nur zwei ganz enge Freunde
eingeladen. Meine älteste Freundin Gabriela sowie meinen Nachbarn Conrado, mit
dem ich praktisch zusammen groß geworden bin. Ich bin sicher, dass du beide mögen
wirst.«
    »Habt ihr auch León Castro eingeladen?«
    »Ja, warum?«
    »Ach, nur so. Ich lese viel von ihm in der
Zeitung, er vertritt ziemlich revolutionäre Ideen.«
    Joana schmunzelte. »Du verschweigst mir etwas,
oder?«
    Vitória drehte Joana den Rücken zu und tat so,
als fessele etwas im Kleiderschrank ihr ganzes Interesse. »Nein.«
    »Lass nur. Ich habe ja gar kein Recht, so in
dich zu dringen. Aber wenn du jemanden brauchst, der dir zuhört und der sehr
verschwiegen ist, dann kannst du jederzeit zu mir kommen.« Mit einem Ruck
drehte Vitória sich um und sah Joana in die Augen. »Wird er die Schwarze Witwe
mitbringen?«
    »Nun ja, zuzutrauen wäre es ihm. Aber nein, ich
glaube nicht, dass er das tut. Ich bin mir sicher, dass er seine ungeteilte
Aufmerksamkeit dir allein schenken möchte.«
    »Wie ...?«
    »Wie ich darauf komme, liebe Vita? Ich habe euch
im Theater beobachtet. Es war wirklich nicht zu übersehen, dass der Mann dir
mit Haut und Haaren verfallen ist.«
    Himmel! Hatten die anderen das etwa auch
bemerkt? Alle, nur sie selber nicht? Und stimmte es überhaupt? Vielleicht war
Joanas Fantasie mit ihr durchgegangen, vielleicht gehörte sie zu jenen Frauen,
die immer und überall romantische Verwicklungen zu sehen glaubten, selbst dort,
wo nicht ein Hauch davon vorhanden war?
    Joana schien ihre Gedanken lesen zu können. »Nein,
das habe ich mir nicht eingebildet. Und keine Sorge, die anderen waren zu sehr
mit sich selbst beschäftigt, als dass sie etwas hätten merken können.«
    »Wenn es nur wahr wäre«, flüsterte Vitória, und
weder sie selbst noch Joana hatten den geringsten Zweifel daran, dass sich das
nicht auf die eventuelle Mitwisserschaft anderer bezog.
    Der dicke Senhor Alves und seine nicht minder
korpulente Frau kamen als Erste. Sie hatten sich als Hänsel und Gretel
verkleidet und sahen mit ihren rot bemalten Bäckchen und mit ihren Zipfelmützen
noch alberner aus als in normaler Kleidung. Zumindest, musste Vitória zugeben,
hatten sie Mut zur Hässlichkeit, und an guter Laune mangelte es den beiden auch
nicht. Wahrscheinlich hatten sie sich schon zu Hause und auf dem Weg hierher
jedes Mal vor Lachen ausgeschüttet, wenn sie sich ansahen.
    »Hänsel, Gretel, willkommen! Hier müsst ihr
nicht länger hungern, ihr habt das Knusperhäuschen gefunden – und die Hexe ist
nicht zu Hause!«, empfing Vitória die Gäste.
    »Gibt es denn auch ein Tässchen Kaffee, oder hängt
alles noch am Strauch?«, fragte Senhor Alves und beäugte die Kirschen

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