Ana Veloso
ein komisches Paar ab, der Chinese mit seinem
langen schwarzen Zopf und der schillernde Kaffeestrauch, doch sie harmonierten
gut miteinander. Aaron war nicht gerade der geborene Tänzer, aber er hielt den
Takt und führte sie sicher. Vitória sah immer wieder zu ihren Eltern hinüber,
die sie umgekehrt nicht wahrnahmen. Mein Gott, gleich würden sie sich womöglich
noch küssen!
Als die Kapelle ein neues Lied spielte, kam Rogério
auf sie zu. »Sie erlauben?«, sagte er zu Aaron und löste ihn ab.
Ah, was für ein Unterschied! In Rogérios Armen fühlte
sie sich leicht wie eine Feder, und er wirbelte sie so temperamentvoll herum,
dass sie um sich herum nichts anderes mehr wahrnahm als eine endlose Spur
verwischter Farben, die immer schneller an ihr vorbeizog.
»Sind sie nicht ein wunderbares Paar?«, fragte
Eufrásia ihren Arnaldo bedeutungsschwanger, in der Hoffnung, er möge sie auch
so schwungvoll über den Tanzboden gleiten lassen. Aber der Sonnenkönig war
bereits betrunken und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten.
»Ja, wie füreinander geschaffen«, antwortete
Florinda statt seiner. Sie stand gleich hinter den beiden und versteckte sich
vor den Herren, die auf die Idee kommen könnten, sie zum Tanzen aufzufordern.
Nicht, dass es deren allzu viele gewesen wären, wie sie bedauernd feststellte.
Nach diesem Tanz legte Vitória eine Pause ein.
Ihr war furchtbar warm, und sie hatte Durst. Wie auf Kommando kam Edmundo
herbeigeeilt und brachte ihr ein Glas Champagner.
»Vita, trink einen Schluck. Du siehst ganz erschöpft
aus.«
Vitória kicherte. Hatte er bei dem letzten Fest
nicht dasselbe gesagt? Und bei dem davor auch? Sie nahm das Glas und trank so
gierig, dass sie sich beinahe verschluckte. Himmel, sie musste sich wirklich
ein bisschen beherrschen. Sie wollte das Fest noch ein wenig länger genießen,
es war schließlich ihr Geburtstag.
»Kommen Sie!«, hörte sie plötzlich León sagen.
Wie hatte er sich schon wieder unbemerkt heranschleichen können? Der Mann hatte
eindeutig etwas Katzenhaftes. Er nahm ihr das Glas aus der Hand, stellte es auf
dem nächstgelegenen Tischchen ab und lächelte sie an. »Ich will mit Ihnen
tanzen, solange Sie dazu noch in der Lage sind.«
Edmundo sah den beiden verletzt nach. Doch was
er dann beobachtete, versöhnte ihn ein bisschen mit der eben erfahrenen Demütigung.
Der Mann tanzte mit Vitória so göttlich, dass Rogério daneben wie der letzte Stümper
wirkte. León hatte Vitória enger an sich herangezogen, als es schicklich war,
so eng, dass die beiden im Takt der Musik zu einer Einheit verschmolzen. Nicht
einmal ihre Aufmachung, die entgegengesetzter kaum sein konnte, änderte daran
etwas. León, barfüßig und in Lumpen, presste Vitória, von Kopf bis Fuß aufs Prächtigste
geschmückt, mit solcher Inbrunst an sich, dass es nicht nur ihr den Atem
raubte, sondern auch den Zeugen dieses skandalösen Tanzes.
Die älteren Herrschaften waren unangenehm berührt
– mit seiner ausgefransten Hose, die ihm nur knapp über die Wade reichte, und
dem zerschlissenen Hemd, das zwei Drittel seiner Brust sehen ließ, war der Mann
ja halb nackt! Eufrásia dagegen erregte der Anblick dieses Paars – einen Tanz,
der eine so animalische Vitalität, eine so unverhüllte Begierde ausstrahlte,
hatte sie nie zuvor gesehen. Joana war hingerissen – endlich bekannten sich die
beiden öffentlich zu ihren Gefühlen füreinander, wenngleich sie dafür eine
recht schonungslose Art gewählt hatten. Und Aaron war schlicht betäubt von der
Wucht, mit der er die simple Wahrheit erkannte: Vitória und León waren füreinander
bestimmt.
X
Die Feier wurde ein grandioser Erfolg –
zumindest für die Gäste. Selbst im Vale, in dem Opulenz und Luxus zu Hause
waren, würde dieses Fest allen noch lange in Erinnerung bleiben. Waren Speisen
und Getränke, Musik, Unterhaltung, Dekoration und Kostüme schon vom
Allerfeinsten gewesen, so war der Gesprächsstoff, den man geboten bekommen
hatte, der aufregendste seit langem. Wie oft erlebte man es schon, dass eine
Sinhazinha sich vor allen Gästen derartig gehen ließ, noch dazu in den Armen
eines Mannes, den kein Kaffeebaron freiwillig in sein Haus lassen würde? Wie
oft wurde man Zeuge einer so flammenden Rivalität zweier Männer um die Gunst
einer schönen Frau? Rogério Vieira de Souto hätte sich immerhin beinahe mit León
Castro geschlagen, wenn der es zugelassen hätte und wenn nicht seine Freunde
eingeschritten wären. Herrlich!
Aber
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