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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Lebens nicht weißt?«
    »Erstens: Du hast mich noch immer zu siezen,
ganz gleich, in welcher Notlage ich mich befinde. Zweitens: Ich habe mich nicht
besteigen lassen, weil ich kein Tier bin, sondern ich habe geliebt und mich
lieben lassen. Drittens: In der Schule habe ich gelernt, dass man neben dem
Allmächtigen keine anderen Götter anbeten soll. Und deshalb ist mir dein Rang
innerhalb deines Irrglaubens völlig egal. Für mich bist und bleibst du die alte
Zélia, und ich werde dir nicht mehr Respekt entgegenbringen als vorher. Viertens:
Sprich gefälligst etwas leiser – es muss ja nicht jeder auf Boavista
mitbekommen, was mich zu dir führt.«
    »Du willst dir also das Kind von einer Verrückten
wegmachen lassen?«
    »Habe ich eine andere Wahl? Luiza sagt, dass du
das kannst.«
    »Sagt sie das, ja? Tja, also, da bin ich mir nicht so sicher. Es
klappt nicht immer. Ich muss dich zuerst untersuchen. Wenn die Götter es
wollen, und wenn wir es in einer Vollmondnacht tun, könnte es funktionieren.«
    »Wolltest du mich nicht siezen?«
    »Nein, du wolltest, dass ich dich sieze. Aber
glaub mir, Kind, mit meinen sechsundsechzig Jahren werde ich kein Küken wie
dich mit > Sie < ansprechen. Na, ein Küken bist du ja eigentlich auch nicht
mehr. Eher eine Legehenne.« Zélia brach in dröhnendes Gelächter aus.
    »Und wenn du nicht sofort mit mir redest, wie es
sich gehört, dann, das schwöre ich dir, mache ich dich zu Hühnerfutter.«
    Zélia hielt sich den Bauch vor Lachen. »Ach,
Sinhazinha, du hast Mumm in den Knochen, das muss ich dir lassen. Und der wird
dir helfen, wenn wir das Ei herausholen.« Wieder schüttete sie sich aus über
den Witz, den sie gemacht hatte. »Das Ei, haha, aber nicht das des Columbus.«
Sie bekam sich kaum noch ein vor Lachen.
    Vitórias Miene verdüsterte sich. Woher wusste
die Alte solche Dinge?
    »Ich finde das nicht sehr lustig. Sag mir
lieber, wann und wie diese schreckliche Untersuchung vonstatten gehen soll.«
    »Je eher, desto besser. Komm heute Abend in
meine Kammer. Nach dem Essen. Aber iss und trink nicht so viel, wenn Blase und
Darm voll sind, kann ich dich nicht so gut abtasten.«
    Himmel, allein die Vorstellung, dass diese
furchtbare Person sie berührte, machte Vitória Angst. Aber gut, das würde sie
schon überstehen. Dann fiel ihr ein, dass sie gar nicht wusste, wo die Kammer
von Zélia war. Wieso wohnte sie nicht in der Gemeinschaftsunterkunft, wo sie
hingehörte? Hatten ihr die anderen Sklaven freiwillig mehr Platz eingeräumt,
weil sie eine Mãe de santos war?
    Teilte sie die Kammer mit jemandem, so wie José
seine mit Félix geteilt hatte?
    »Wo ist denn deine Kammer?«
    »Ich wohne da, wo früher die Ketten und Fußfesseln
aufbewahrt wurden, gleich neben dem Geräteschuppen. Dort kommt niemand hin,
ohne dass ich es merke. Du bist dort sicher.«
    Die Kammer roch noch immer schwach nach Rost und
Schmieröl, obwohl auf Geheiß von Dona Alma schon vor Jahren die scheußlichen
Zuchthausutensilien abgeschafft und eingeschmolzen worden waren. Überlagert
wurde dieser Geruch aber von dem der Kräuter, Rinden und Wurzeln, die Zélia
hier hortete.
    »Im Mittelalter hätten sie dich als Hexe
verbrannt.«
    »Das würden sie heute auch noch tun, wenn sie
von meinem Treiben wüssten. Leg dich jetzt hin, zieh den Rock hoch und die
Unterhose aus.«
    Was für eine peinliche Situation! Vitória schämte
sich zu Tode, tat aber, wie ihr geheißen. Als sie mit angewinkelten Beinen und
entblößtem Unterleib auf der Pritsche der Sklavin lag, schloss sie die Augen.
Nicht, dass das an der grostesken Situation etwas geändert hätte. Sie spürte,
wie die Alte mit einer Hand auf ihren Bauch drückte, während sie zwei Finger
der anderen in sie schob. Wie entsetzlich! Vitória öffnete die Augen und
beobachtete Zélia. Die Alte wirkte äußerst konzentriert und zielbewusst – sie
schien zu wissen, was sie tat. Doch dann runzelte Zélia die Stirn, als habe sie
in Vitórias Leib irgendetwas Bedenkliches entdeckt.
    »Was ist? Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Still!« Zélia tastete weiter an und in ihr
herum, bis sie ihre Finger schließlich wieder herauszog und in einer Waschschüssel
reinigte. »Also was ist jetzt?«
    »Du bist ein bisschen eng gebaut, sonst ist
alles normal. Die Schwangerschaft ist noch nicht allzu weit fortgeschritten,
ich glaube, wir können es wagen.«
    »Was bedeutet das? Erklär mir genau, was du tun
wirst.«
    »In der nächsten Vollmondnacht, das ist in vier
Tagen, werde

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