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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Aufruhr versetzen konntest, wie ich es nie zuvor erlebt
habe. Ich liebe dich, wie ich nichts und niemanden auf der Welt liebe. Vergiss
das nie. Und vergiss auch mich nicht.
    León
    Vitória konnte es nicht fassen. Sie las den
Brief noch einmal, dann lief sie damit in die Küche und warf ihn ins Herdfeuer.
Tränen liefen ihr übers Gesicht, aber sie bemerkte sie nicht. Er stahl sich aus
der Verantwortung! Dieser Verbrecher, dieser elende, egoistische, triebhafte,
versoffene, böse, gemeine, unwürdige Widerling hatte die Stirn, sich einfach
aus dem Staub zu machen und sie allein in ihrem Elend zurückzulassen!
    Die Küchensklaven bekamen es mit der Angst zu
tun, als sie die junge Sinhá beobachteten. Der Teufel musste von ihrem Körper
Besitz ergriffen haben, so wie sie sich schüttelte. Luiza scheuchte alle aus
der Küche und schloss hinter ihnen die Tür. Sie ging zu Vitória und legte den
Arm um sie. Vitória warf sich an die magere Brust der Schwarzen und schluchzte,
bis sie kaum noch Luft bekam. Luiza tätschelte ihr den Rücken und murmelte
beruhigende Worte, wie sie es auch bei einem hysterischen Säugling mit
Schluckauf getan hätte.
    »Er lässt mich einfach im Stich! O Gott, Luiza,
was soll ich jetzt nur tun?«
    »Erst einmal setzt du dich hierher, trinkst eine
Schokolade und beruhigst dich. Dann erzählst du mir, was passiert ist.« Aber
Luiza ahnte schon länger, welches Problem Vitória Sorge bereitete. Der mangelnde
Appetit ihrer Sinhazinha sowie deren blasses Gesicht hatten ihr bereits vor
Wochen die Wahrheit offenbart.
    Während Luiza die Schokolade zubereitete, saß
Vitória am Tisch, vergrub ihr Gesicht in den Händen und wurde von ihrem
Weinkrampf derart geschüttelt, dass das Wasser in dem Glaskrug vor ihr beinahe überschwappte.
    »Ich hole dir einen Cognac aus dem Salon«, erklärte
Luiza, nachdem sie Vitória die Schokolade hingestellt hatte und sich nun
Richtung Tür wandte.
    »Bloß nicht! Der Alkohol hat mich bisher immer
in Schwierigkeiten gebracht. Ich trinke nichts mehr. Nie wieder rühre ich einen
Tropfen an!«
    Luiza zuckte mit den Schultern. Sie setzte sich
auf einen der Strohstühle neben Vitória und wartete ab, dass diese von allein
begänne, ihr ihr Leid zu klagen.
    »Ich erwarte ein Kind von León«, sagte Vitória
und zog die Nase hoch. In ihrer Stimme lag Trotz, so als sei Luiza der Auslöser
für ihr Unglück. »Ich habe es ihm geschrieben, aber anstatt dass er mich
heiratet, reist er für längere Zeit nach Übersee. So einfach ist das.« Wieder
schluchzte sie laut auf. Luiza reichte ihr ein grobes, verschmutztes
Taschentuch.
    »Ich will das Kind nicht. Es ekelt mich an, die
Brut von diesem verantwortungslosen Lüstling auszutragen. Hilf mir, es
wegzumachen.« Spontan hatte Vitória die Entscheidung getroffen, mit der sie
sich nun schon so lange herumquälte. Sie fühlte sich erleichtert, jetzt, da sie
handeln konnte, ein Ziel hatte. Zugleich war sie zutiefst verstört. Hatte sie
gerade wirklich um Hilfe bei einer Abtreibung gebeten?!
    »Sinhazinha, bist du dir ganz sicher, dass du
das willst?«
    Nein, sie war sich überhaupt nicht sicher. Aber
was blieb ihr anderes übrig? »Ja«, antwortete sie.
    »Ich kann dir helfen. Aber du weißt hoffentlich
auch, in welche Gefahr du dich bringst. Es ist ein sehr schwerer Eingriff, und
du kannst daran sterben. Mit Sicherheit aber wirst du sehr krank sein, und das
lässt sich ja nicht gut verheimlichen. Deine Leute werden Fragen stellen. Dona
Alma wird ahnen, was du getan hast. Und schließlich besteht auch noch die
Gefahr, dass du nie wieder Kinder bekommen kannst. Willst du das alles auf dich
nehmen?«
    »Luiza, das klingt fürchterlich. Aber nicht halb
so grausam wie das Schicksal, das mich erwartet, wenn ich das Kind bekomme.«
    »Wie weit ist die Schwangerschaft schon
fortgeschritten?«
    »Der dritte Monat.«
    »Dann wird es höchste Zeit. Je länger du
wartest, desto schwieriger und gefährlicher wird es. Trotzdem: Schlaf lieber
noch eine Nacht darüber. Du hast heute diesen Brief bekommen und bist zu aufgewühlt,
um einen klaren Gedanken zu fassen. Wenn du morgen immer noch zu deiner
Entscheidung stehst, bringe ich dich zu Zélia. Sie weiß, was zu tun ist.«
    »Zélia? Aber die Alte ist verrückt!« Zélia war
eine zierliche Schwarze, weißhaarig und verhutzelt, die aufgrund ihres Alters
nicht länger auf den Feldern arbeitete, sondern die senzalas fegte.
Jeder auf Boavista hatte Angst vor ihr, weil sie mit ihrer durchdringenden,

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