Analog 07
einfacher Seemann wie ich nicht anmaßen, eine von Kommodore Hornblowers Entscheidungen anzuzweifeln …“
„Kommodore Hornblower!“ Der Bootsmann bekam große Augen. Er zupfte an seiner Stirnlocke, besser gesagt an der Stelle des Fells, wo bei einem Menschen die Stirnlocke gewesen wäre. „Bitte um Vergebung, Sir, aber ich hatte Euch nicht gleich erkannt. Schlaue Verkleidung habt Ihr Euch zugelegt, man soll mich kielholen, wenn das nicht so ist!“
Bligh wandte sich wütend an Brob. „Nun?“ knurrte er. „Worauf wartet Ihr noch, Mr. Christian? Geht zur Mannschaft. Treibt sie zur Arbeit an, wir dürfen die Flut nicht verpassen und müssen eiligst nach Spaniens Küsten segeln.“
„Aber ich weiß nicht, wie“, stammelte Brob.
„Versucht nicht, mich mit Euren Verschlagenheiten zu narren, Fletcher Christian!“ brüllte Bligh. „An Deck mit Euch, und Leinen los!“
„Entschuldigung“, sagte Alex. „Ich kenne diesen Mann von früher, Kapitän. Ich kann es ihm erklären.“ Er nahm Brob beiseite und flüsterte ihm zu:
„Hör zu, das ist typisch für die Hokas. Die Mannschaft weiß ganz genau, was zu tun ist. Soweit echtes seemännisches Können gefragt ist, erwarten sie von den Offizieren nichts weiter als eine gute Show. Du mußt nur herumstehen, eindrucksvoll aussehen und hin und wieder einen Befehl geben. Irgendeinen, das ist völlig einerlei, sie werden ihn als Kommando interpretieren und das Richtige tun. Ich werde mich inzwischen um die Einzelheiten für uns beide kümmern.“ Glücklicherweise, dachte er, gehörten Essensrationen nicht dazu. Er selbst konnte tokanisches Essen zu sich nehmen, wenn er es auch mit Vitaminen aus seinem Vorrat anreichern mußte, und Brob hatte gegessen, bevor sie Mixumaxu verlassen hatten. Seine Nuklearration würde noch einige Wochen vorhalten.
Amüsiert wanderte der Außerirdische hinter Bosun Bush her. Es war, als schlingere ein Ozeanriese hinter einem kleinen Rettungsboot. Alex wurde zu einer freien Kabine gebracht und dort einquartiert. Alles war recht bequem, doch als Mensch mußte man in einem Hoka-Bett sitzend schlafen. Die Schiffe legten eines nach dem anderen ab und nahmen im günstigen Wind Fahrt auf. Als Alex wieder an Deck kam, rollte die Victory über grüne Wogen. Die Segel blähten sich in der Brise. Die Luft sang in der Takelage. Sie brachte einen salzigen Geruch mit sich. Die Matrosen gingen ihren Aufgaben nach – wozu seltsamerweise auch das Polieren einer Kanone gehörte, die so gewaltig wie Brob war –, die dienstfreien Matrosen saßen beisammen und sprachen davon, wie Franzosenblut das Meer röten würde. Das Land war schwach am nördlichen Horizont auszumachen. Alex blieb nicht lange an Deck. Ihm standen schwierige Verhandlungen und ein Essen mit Lord Nelson bevor, und der Himmel mochte wissen, mit wem er sich in seiner Rolle als Hornblower noch auseinanderzusetzen hatte. Er wollte etwas ausruhen, solange er es noch konnte.
Rufe, Fanfarenstöße, Trommelschläge und das Poltern laufender Füße rissen ihn aus einem unruhigen nächtlichen Schlaf. Er taumelte im Pyjama davon. Hokas wuselten überall umher. Der Ausguck rief: „Dort kreuzen sie, ich meine, Franzmänner voraus, zwei Strich Steuerbord!“
„Alle Mann auf die Posten!“ brüllte Kapitän Bligh vom Quarterdeck.
Alex kletterte die Leiter hoch an seine Seite. Nelson befand sich ebenfalls schon dort, der leere Ärmel seiner Jacke flatterte im Wind, vor dem klappenlosen Auge hielt er ein Teleskop. „Wir liegen günstig im Wind“, stellte er fest. „Sie können uns nicht entkommen. Hißt die Signalflaggen. England erwartet, daß jeder Mann seine Pflicht tut!“
Alex starrte fassungslos über den Bugspriet und die weißgekrönten Wellen zum Horizont, wo er im Dämmerlicht drei Segelschiffe ausmachen konnte. Trotz der Entfernung konnte er die Trikolore deutlich sehen, die stolz an jedem Mast prangte. Ludwig XIV. hatte gleichfalls eine Flotte aufgestellt. (Im Hoka-Frankreich hatte es keine Revolution gegeben, lediglich eine jährliche fête anläßlich des Tags der Bastille wurde abgehalten. Anläßlich dieser jüngsten Feier hatte Napoleon sich das allgemeine Chaos zunutze gemacht und den König entmachtet, der bereitwillig kooperierte, da er sich von einem Dasein als Feldmarschall mehr Spaß erhoffte. Dieses Entzücken erfüllte die ganze Nation und versetzte sie in ein Fieber des Enthusiasmus, das nur in Afrika ignoriert wurde, da die Fremdenlegion beschloß, auf ihrem
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