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Analog 08

Analog 08

Titel: Analog 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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Vorindustrialisierung, was ungefähr der Kultur der frühen Steinzeit auf der Erde entsprach. Sie bezogen fast ihren gesamten Lebensunterhalt aus dem Meer. Sie waren ausgezeichnete Seeleute und Fischer, und in dem größten Teil ihrer Sagen und religiösen Überzeugungen ging es um das Meer. In den xenologischen Studien, die ich gelesen hatte, hatte man von ihrem offensichtlichen Widerwillen dagegen gesprochen, über diese Bereiche mit den Fremden von anderen Welten zu reden, obwohl sie in allen anderen Bereichen sehr offen und freundlich waren. Es war sehr deutlich, daß der wäßrige Teil ihrer Welt – also ihr größter Teil – ihnen heilig war.
    Es war merkwürdig, daß in den hundert oder mehr Jahren von galaktischen Kontakten, auf die sie zurückblicken konnten, nicht mehr von den Ritualen und der Mystik des Meers herausgekommen war. Xenologen sind eine geduldige und hartnäckige Schar – im Verlauf der Jahre hatte ich einige von ihnen kennengelernt – und wandten oft die Technik der „totalen Versenkung“ der Anthropologen von der Erde an. Einer von ihnen hatte diesen Ansatz auf Priam IX sogar benutzt, und zwar bei den Angehörigen eines kleinen Segelkults in einem der nördlichen Archipele. Ich hatte die Monographie mit Interesse gelesen, aber ich muß gestehen, daß ich mich nicht mehr an den Namen des Autors erinnere.
    Dieser Mann hatte auf jeden Fall ein planetarisches Jahr – ungefähr anderthalb Erdenjahre – bei diesem kleinen Wyntaraag-Stamm verbracht, bei ihnen gelebt, gegessen und geschlafen. Er hatte bei ihren Fischzügen die Ruder bedient, hatte dabei geholfen, ihre Kinder zur Welt zu bringen, ihre Kranken geheilt. Trotzdem hatte er nach dem, was ich von meiner Lektüre noch weiß, keinen näheren Blick auf ihre religiösen Riten erhaschen können als ein paar verstohlene Blicke über die Schultern der Krieger, die ihn bestimmt wegführten.
    „Wir sind fast da, wie ich sehe“, sagte Stevens. Er hatte recht; ein Blick durch das Fährenfenster zeigte den Komplex aus Stein und Glas, den die Pyrrhus-Gruppe hier errichtet hatte. Wir näherten uns langsam einem beeindruckenden Raumhafen, der aussah, als sei er so konstruiert, daß er auch mit den schweren Frachtern fertig wurde.
    Stevens stapelte sorgfältig die Blätter in seiner Hand und steckte sie in sein Diplomatenköfferchen. „Mario“, sagte er, „ich fürchte, mir ist gerade nur Zeit geblieben, um davon das Allernotwendigste zu überfliegen. Was meinen Sie – Sie berichten mir kurz, in Ihren eigenen Worten, meine ich.“
     
    Die Dinner-Party, die die Pyrrhus-Gruppe an diesem Abend veranstaltete, ließ sich mit den prachtvollsten vergleichen, an denen ich jemals teilgenommen habe. Diese Tatsache war um so beeindruckender, wenn man bedachte, daß dieser Planet sehr „abgelegen“ und relativ wenig entwickelt war.
    „Mr. Lassiter, darf ich Ihnen Mario Brisando, meinen Assistenten, vorstellen?“ Stevens war sehr aufgeregt, und in seiner neuesten, in New York hergestellten Perücke sah er geradezu prachtvoll aus.
    Der Gentleman, der da die Hand ausstreckte, war blond und nicht direkt fett. Er trug sein Dinner-Jacket wie einen locker sitzenden Laborkittel. „Mark Lassiter“, sagte er und drückte mir athletisch die Hand. „Ich bin Mr. Mooneys erster Assistent.“
    Mooney war der Projektmanager für die Aktivitäten von PU auf Priam IX. „Sie beide werden zweifellos in den nächsten Tagen eng zusammenarbeiten“, meinte Stevens und eilte davon, um auf der anderen Seite des Raums jemanden festzunageln.
    „Leben Sie schon lange auf Priam IX, Mr. Lassiter?“ Ich nippte leicht an einem sehr starken Cocktail, den mir jemand in die Hand gedrückt hatte.
    „Mark, bitte. Und darf ich …“
    „Mario, sicher. Ich war nur neugierig, wie ein Leben in einer solchen Isolation aussieht.“
    Lassiter holte eine Platin-Taschenuhr mit graviertem Deckel heraus. „Belohnung für fünfjährige Tätigkeit – damit sind lokale Jahre gemeint – also insgesamt siebeneinhalb Jahre. Ich bin mit dem ersten Forschungsteam angekommen, das diesen Komplex geplant hat. In den letzten drei Jahren habe ich ausschließlich draußen auf der Prozeß-Plattform gearbeitet.“
    „Sie liegt doch ziemlich weit draußen im Meer, nicht wahr?“
    „Fünfhundert Meilen nördlich von hier, über einem der tiefsten ozeanischen Gräben auf dem Planeten. Dort sind die Brutstellen.“
    „Das ist doch lokale Meeresfauna, die Pyrrhus verarbeiten will, den …

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