Analog 08
man hatte das Gefühl, als ginge man nach Torschluß in ein Museum hinein. Der einsame Nachtwächter hatte uns mißtrauisch angesehen, bis er Doris erkannte.
„Eine Gruppe von Eingeborenen ist gerade weggegangen, aber Ihr Onkel und ein paar andere sind noch oben.“
„Vielen Dank, Sam“, sagte sie. „Wir werden sie nicht behelligen – wir wollen den Forschungsterminal im neunzehnten Stock benutzen.“
Hinter der Vorhalle war das Gebäude gleißend hell erleuchtet. Wir nahmen einen Schnellaufzug.
Im neunzehnten Stock war – direkt unter Tobias Mooneys Büro im zwanzigsten – das technische Management untergebracht. Bis auf einen zweiköpfigen Reinigungstrupp, der uns ignorierte, war alles leer.
„Hier ist er“, sagte Doris und zog zwei Stühle vor einen Terminal von Visiphongröße. Sie fütterte einen Identifikationscode hinein, und der Schirm wurde hell und zeigte die PU-Logotype.
Ich setzte mich hin und speiste eine Reihe von Schlüsselwörtern ein: PRIAM IX, GROTUCK, FORTPFLANZUNG, GESCHLECHT.
Doris sah mich an, sagte aber kein Wort. Der Schirm meldete sich sofort wieder mit: 409 BEZ., TERRANISCHES ENGLISCH?
Ich tippte: JA und erhielt als Antwort: BEZ. 317 FÜR LEKTÜRE ABRUF DRÜCKEN.
Ich drückte auf ABRUF, und der Schirm füllte sich:
SISSMANN, M. R., TRISEXUELLES VERHALTEN BEI EINEM ICHTYOIDEN VERTEBRATEN, XENOL. ANAT., 17(4), 1305-26
SISSMANN, M. R., DER GROTUCK ALS MODELL EINER KONVERGENTEN EVOLUTION. III. SEXUELLE POLYMORPHIE, EXTRATERR. ZOOL., 34(7), 432-46.
JAKES, C. V. UND SISSMANN, M. R., DIE ROLLE DES TRELPH BEI DER FORTPFLANZUNG DES GROTUCK, NATUR, 711 (22), 881-3.
GROSSAGE, F. T., DIE FAUNA VON PRIAM IX, UNIV. V. VANDERMEER VERLAG, 2551, 304Ss.
SISSMANN, M. R., IST DER TRELPH VON PRIAM IX EIN BEISPIEL FÜR ANOMALE GENETISCHE VARIATION?, XENO. ALLGEM., 9(1), 304-36. SISSMANN, M.R., UND JAKES, C. V., DIE DREI GESCHLECHTER DES GROTUCKS, NATURWISSENSCH., 494 (34), 1741-3.
„Sieht schwierig aus“, sagte Doris.
Ich wählte einen Artikel aus Naturwissenschaften und löschte den Rest der Liste. Was dann auf dem Schirm erschien, war für einen Laien tatsächlich schwierig, aber nachdem ich den Artikel halb gelesen und halb überflogen und mir die Abbildungen angesehen hatte, begann ich die grundsätzlichen Fakten zu verstehen.
Die Grotucks treten tatsächlich in drei verschiedenen Geschlechtern auf – als männliche und weibliche Tiere sowie in einer Form, der man den Namen Trelph verliehen hatte. Sie ist das Resultat eines seltenen Zufalls in der Evolution, einer Abzweigung vom Hauptstrom, die sich wahrscheinlich bis zu dem Punkt zurückverfolgen ließ, an dem auf diesem Planeten zum ersten Mal Bisexualität aufgetreten ist. Ein urtümlicher Chordaten-Verwandter des Grotucks entwickelte diese ungewöhnliche Fortpflanzungsart, während die übrigen Lebensformen sich in der gewöhnlichen Art entwickelten. Die Bedingungen für das Überleben dieser Entwicklungslinie erwiesen sich als günstig, und aus ihr entstand der Grotuck in seiner jetzigen Form. Die bisexuellen Lebensformen breiteten sich dagegen aus und entwickelten sich auseinander, bis aus ihnen alles andere Leben, darunter auch die Wyntaraag, entstand, das heute auf Priam IX existiert.
Das Grotuckweibchen produziert wie andere weibliche Wesen Eier. Während der Fortpflanzungszeit treten diese Eier aus und bleiben in einer gallertartigen Masse am Bauch des Tieres hängen. Das männliche Tier befruchtet diese Eier auf die übliche Art, aber sie bleiben zunächst unfruchtbar. Es werden zwar einzellige Zygoten produziert, die aber nicht teilungsfähig sind. Während dieses Befruchtungsvorgangs erzeugen sowohl männliche als auch weibliche Tiere Pheromen. Das Pheromen des männlichen Tiers ist rein chemisch gesehen identisch mit dem der weiblichen, aber es lockt nun den Trelph an, was vielleicht auf seine höhere Konzentration im Wasser zurückzuführen ist.
Die Trelphs leben von den großen Schwärmen von weiblichen und männlichen Grotucks getrennt. Nach Zählungen durch das Labor machen sie zwar ein Drittel der lebendig zur Welt gekommenen Tiere aus, aber sie leben allein in den tiefsten Teilen des Meers. Wenn das konzentrierte männliche Pheromen sie erreicht, bringt sie das zu ihrer einzigen sozialen Aktivität. Eine besondere Drüse sondert ein katalytisches Enzym ab, das mit den Eiern, die noch an dem weiblichen Tier hängen, in Berührung gebracht wird. Das Enzym setzt die Maschinerie der Zygote in Bewegung,
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