Analog 08
Motorboot, das zwischen zwei Tragflächenbooten der mittleren Klasse vertäut war. Priam IX hat zwei Monde, Hektor und Paris, Söhne ihres Vaters, der Sonne. Hektor hing bucklig und fast voll direkt über dem Horizont, während Paris als dünne Sichel über unseren Köpfen schwebte. Ihr Licht war fast hell genug, um uns Schatten werfen zu lassen.
Doris sprang an Bord, während ich die Landeleinen löste. Als ich hochkletterte, bemerkte ich das PU-Zeichen, das neben dem Namen an der Seite stand: Die Glücksdame. Nach dem Deck zu urteilen, schien es ein recht großes Boot zu sein – mindestens fünfundzwanzig Fuß lang –, und es trug auf dem Deck eine Wohnkabine und die Kontrollkabine. Als ich die kurze Leiter hinaufgeklettert war, hatte Doris bereits den Motor angeworfen, und wir glitten langsam rückwärts in die Bucht hinaus.
„Es sieht so aus, als würden Sie sich hier auskennen“, sagte ich.
„Das sollte ich wohl“, sagte sie, ohne ihre Augen von den Instrumenten zu heben. „Mein Vater war auf der Erde Kapitän der Handelsflotte. Ich bin auf den großen Fracht-Flügelbooten praktisch aufgewachsen.“
Während das Boot herumschwang und in das offene Meer hinausfuhr, musterte ich ihre Silhouette gegen das schimmernde Wasser. Eine salzige Brise bewegte ihr Haar leicht. Mir ging die Frage nicht aus dem Sinn, was sie von dem Laufburschen mittleren Alters hielt, der da neben ihr saß. Ich griff in eine Tasche und holte die kleine Aufzeichnung heraus, die ich gemacht hatte, bevor wir vom Terminal in der Zentrale weggegangen waren. „Hatten Sie nicht gesagt, hier an Bord sei ein Lesegerät?“
„Direkt hier.“ Sie öffnete ein kleines Fach vor mir.
Ich schob die Aufzeichnung hinein, und der Schirm wurde hell. Es war ein Buch über die Geschichte der industriellen Kontakte zwischen Priam IX und den Menschen, das ich, einem Impuls folgend, aus den Computerbeständen abgerufen hatte – ich kannte es noch nicht.
„Mario.“ Das war das erste Mal, daß sie mich Mario genannt hatte. „Was haben Sie gemacht, bevor … Sie in den Regierungsdienst gegangen sind?“
Ich sah auf das Mondlicht hinaus, das im Meer glänzte. „Nichts sehr Aufregendes, fürchte ich. Ich bin in Kansas aufgewachsen, und in Harvard habe ich Politik studiert. Ich wollte Diplomat werden, war aber nicht diplomatisch genug, um einen Job im Außenministerium zu bekommen. Beziehungen zu fremden Welten, das war eine Sache mit Zukunftsaussichten – ich habe eine Assistentenstelle bekommen.“
„Keine Hobbys oder andere Interessen?“
„Ich lese viel. Wahrscheinlich zuviel. Schach, Briefmarkensammeln, all das übliche introvertierte Zeug.“ Ich lächelte ihrer dunklen Silhouette zu. „Ich sagte ja – nichts sehr Aufregendes.“
„Aber jetzt, im Büro für planetarische Schadensersatzansprüche – da müssen Sie doch viele verschiedene Welten sehen.“
„Einige, das ist richtig. Allerdings oft von einem sehr beschränkten Standpunkt aus. Konferenzen, Hotelzimmer, Sachen dieser Art.“
„Es macht Ihnen aber doch sicher Spaß.“
„Wahrscheinlich könnte man sagen, daß ich meinen Beruf kenne und gut in ihm bin. Allein das bringt ein gewisses Vergnügen mit sich. In der letzten Zeit habe ich mich allerdings oft gefragt, ob ich nicht besser einen anderen Weg gegangen wäre … aber dann kommt man in ein Alter, in dem es zu spät ist.“
Ich konnte in der Dunkelheit nicht erkennen, ob sie mich direkt ansah. „Es ist nie zu spät, Mario.“
„Ich bin zweiundvierzig“, sagte ich. „Mit zweiundvierzig jagt man nicht mehr hinter Träumen her.“
Es gibt eine bestimmte Art von Frauen, die sich von schüchternen, traurigen Männern angezogen fühlen. Ich wußte nicht, ob Doris Mooney eine solche Frau war, aber sie sagte: „Es ist nie zu spät“ und legte in der Dunkelheit der Kabine ihre Hand über meine.
Die Insel war ein dunkles Gewirr von Laub von ungefähr einem Kilometer Breite. Wir näherten uns ihr von der Festlandseite und fuhren in einen kleinen Kanal hinein, der schnell immer enger und kurviger wurde.
Doris schaltete den Motor ab, und wir trieben langsam und stießen dabei mit dem Rumpf aus einer Titanverbindung schwer gegen Steine. Bis auf die Positionslampen an unserem Bug war nun alles dunkel. Ich spürte, wie die steilen Wände des Kanals immer näher an uns herankamen.
„Waren Sie schon einmal bei Nacht auf der Insel?“ fragte ich.
„Nein, ich bin sicher, daß sie kein Boot erwarten werden.“
Durch
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