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Analog 08

Analog 08

Titel: Analog 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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die Bäume hindurch konnten wir undeutlich erkennen, wie ein flackerndes Licht an uns vorbeizog. Einige Sekunden später folgte ihm ein weiteres. Dann noch eins.
    „Was kann das sein?“ fragte Doris. Sie hatte noch nicht ganz Angst.
    „Fackeln. Ich glaube, wir sind gerade noch rechtzeitig gekommen.“
    Doris schob das Boot mit einem geübten kurzen Einsatz des Motors in eine kleine Bucht. Einen Augenblick lang knirschte der Kiel bedrohlich, und dann lagen wir still.
    Als wir die Leiter von der Kabine herunterkletterten, wurde mir klar, daß niemand von uns für dieses Abenteuer richtig angezogen war. „Ich habe in der Schlafkabine Kleidung für uns beide“, sagte Doris. Wir redeten inzwischen im Flüsterton.
    Ich tastete mich hinter ihr her bis zu dem stockdunklen Raum durch. „Hier“, sagte sie, und ich fand meine Arme voller Stoff, „die dürften passen.“
    Ich stieß gegen das Bett und setzte mich ungeschickt hin. Ich konnte hören, wie Doris sich auf der anderen Seite der Kabine umzog. „Brauchen Sie Licht?“ erkundigte sie sich nüchtern.
    Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoß. „Äh, nein, ich schaffe es schon.“
    Nach der Dunkelheit in der Kabine kam mir das Mondlicht auf Deck wie heller Mittag vor. Wir trugen beide Hemd und Hosen. Ich bemerkte, daß Doris sich die Zeit genommen hatte, sich einen Schal um den Hals zu legen und mit einem Tuch ihr Haar hochzubinden.
    Wir glitten über die Seite und kletterten einen glatten Hang hinauf. Doris führte mich durch dunkles Unterholz, und wir gingen beide in geduckter Haltung. „Ich werde viel von dem Vertrauen verlieren, das sie zu mir gefaßt haben, wenn sie mich dabei erwischen, wie ich mich so an sie heranschleiche“, flüsterte sie.
    „Hoffen wir, daß es dazu nicht kommt.“
    In diesem Augenblick raschelten die Blätter vor uns, und ein Wyntaraag mit einer rauchenden Fackel in der Hand rannte an uns vorbei, ohne uns zu bemerken. Wir erstarrten beide sofort. In einiger Entfernung waren zwischen den Bäumen einige weitere Fackeln zu sehen, die sich bewegten.
    Ich beugte mich nahe an ihr Ohr herab, und ein Hauch von Parfüm stieg zu mir auf. „Das muß die Zeremonie sein, die der Pilot beschrieben hat.“
    Wir gingen weiter gebückt durch das Gebüsch und die Bäume. Die entfernten Fackeln wurde immer zahlreicher, bis wir ein gutes Versteck direkt bei der Lichtung vor dem Dorf fanden.
    Die Hütten der Wyntaraag waren rund, bestanden aus Holz und Lehm und besaßen kegelförmige Dächer aus Stroh und Schilf. Sie waren alle gleich gebaut, aber zwei, die ich für den Tempel und die Ratshütte hielt, waren viel größer. Das Dorf war in der Form eines großen Bogens angelegt, fast ein Halbkreis, und vor ihm lag ein großer, offener Platz. Dort stand, wie ich das schon erwartet hatte, die grob gefertigte Gestalt eines Fischs, den Casey, der Pilot, aus seinen Kindheitserinnerungen beschrieben hatte. Zweige von verschiedenen Größen waren mit Ranken zu einer Skulptur verwoben worden. Das Ding war mehr als mannshoch und viel größer als die kleingewachsenen Wyntaraag, aber die fünfzehn Fuß aus Caseys kindlicher Perspektive erreichte es nicht. Die Skulptur war tatsächlich beeindruckend, wenn man bedachte, in welch kurzer Zeit sie gebaut worden sein mußte.
    „Mein Gott!“ hörte ich Doris rufen, und dann, mit übertrieben leiser Stimme: „Das war heute nachmittag noch nicht hier.“
    Die Lichtung vor dem Dorf war nun hell, und sie wurde immer heller, als die Wyntaraag, die von ihrem zeremoniellen Lauf durch den Wald zurückkamen, mit ihren Fackeln einen großen Kreis um den hölzernen Fisch zu bilden begannen. Langsam drang ein leiser, stöhnender Gesang bis zu uns durch, und die fremden Körper in dem noch nicht fertigen Kreis begannen rhythmisch zu schwanken. Eine Wolke von schwarzem Rauch trieb langsam über die Dächer der Hütten.
    „Was meinen Sie wohl, was das bedeutet?“ flüsterte Doris. „Eine Versöhnungszeremonie für den Trelph-Gott?“
    Ich zuckte in der Dunkelheit, in der wir kauerten, die Achseln. „Oder sie beschwören seinen Zorn auf die Fremden herab, die ihn gekränkt haben.“
    Ich spürte, wie mein Herz gegen meine Rippen pochte und der kalte Schweiß mir an den Seiten herablief. Der Kreis war jetzt geschlossen – in einer Dreierreihe, genauso, wie Casey es beschrieben hatte. Das Dorf war von dem gelb flackernden Licht taghell beleuchtet. Der monotone Gesang wurde von Schreien und Rufen unterbrochen – es war

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