Analog 3
ich mich an die Zukunft, von der ich einst geträumt hatte – ein Büro mit echter Holztäfelung, Perserteppiche, wie sie mein Dissertationsvater besessen hatte, glitzernde Weinkelche …
„Träume noch einmal und besser“, hatte Twain in Der geheimnisvolle Fremde geschrieben. Mork, ich wünschte mir, ich könnte es.
Als ich das letzte Mal etwas über diese Erzählung vorgetragen hatte – das war das letzte Mal gewesen, daß in Struldbrugg „Am. Lit.“ im Vorlesungsverzeichnis aufgetaucht war (ein Ausgeflippter hatte die Abkürzung gesehen und war der Meinung gewesen, es handle sich um Shakespeare in Übersetzung), war die einfühlsamste Reaktion, die mir von meinen Studenten zuteil geworden war, die gewesen, daß es „tief drinnen in meinem Inneren ein gewisses Gefühl auslöst“. In einer schriftlichen Arbeit, um Morks willen. Fragen Sie mich nicht, wie die Meinungen in der Klasse gewesen waren. Der Dekan, ein Grauwal, der erst kürzlich aus der Industrie zu uns gestoßen war, hatte die Übung abgesetzt. Als nicht kostendeckend.
Träume noch einmal und besser. Träumten die Nullen in ihrer Drogeneuphorie auch?
„Sherry?“ fauchte ich. „Ich brauche nichts. Nur meine Privatsphäre.“ Erst in einer Stunde war ich wieder im Dienst. Ich sagte das zu allen Ausgeflippten, die etwas von mir wollten, und sah mich statt dessen einem Juniorkollegen gegenüber. Mork sei Dank! Es war Mike von den Eprouvetten und den altersschwachen Bunsenbrennern.
„Sind Sie gekommen, um das Opfer zu sehen?“ fragte ich.
„So wissen Sie es also jetzt“, erwiderte er. „Kommen Sie. Wir können in meinem Büro privat miteinander reden.“
Wir schlenderten den Gang hinunter, zu angeekelt, als daß wir uns um Drogensüchtige gekümmert hätten. Was besaßen Juniorangehörige der Fakultät schon, das sich zu stehlen gelohnt hätte? Rechts und links waren die Wände abgeschlagen und entblößt. Saubere Rechtecke zeigten an, wo der Dekan die Holos von Baskin verkauft hatte, um die aufgelaufenen Stromrechnungen bezahlen zu können.
„Was haben sie zu dir gesagt?“ fragte Mike voller Mitgefühl.
„Fledermaus schwatzt von Teilzeitarbeit, damit ich mit meinem Manuskript an den Straßenecken hausieren gehen kann. Ich nenne das eine Schweinerei, aber ich nehme an, es ist besser als die Gehirnamputation durch das Redundanzamt.“
„Weißt du“, fing Mike an und verfiel in seinen Dozierstil, „wenn das Pensionsalter auf fünfundsiebzig angehoben ist …“
„Wir können es uns nicht leisten, daß alle diese uralten festangestellten Professoren der Sozialversicherung zur Last fallen, nicht wahr? Die Inflationsrate könnte auf fünfunddreißig Prozent steigen oder dergleichen.“
„Wie ich dir schon gesagt habe, gibt es nur eine Lösung, wenn man unsere Lage objektiv betrachtet. Unser Problem: Es gibt einfach zu viele unkündbare Professoren. Sie sind eingeschlossen, daher sind wir ausgeschlossen. Lösung: Entledigen wir uns der Professoren.“
„Was macht das für einen Unterschied für dich?“ fragte ich. „Schließlich braucht die Regierung Wissenschaftler.“
„Um einen aphrodisischen Kaugummi zu entwickeln, damit die Nullen nicht zu revoltieren anfangen. Nichts für mich, Sherry. In Struldbrugg habe ich zumindest ein Labor, und niemand stellt mir allzu viele Fragen, womit ich mich beschäftige. Wenn ich aber keine feste Anstellung habe, wie kann ich dann der Arbeit für die Regierung entgehen? Daher möchte ich ebenfalls eine unkündbare Stellung erreichen.“
Der Vorstand von Mikes Lehrkanzel ging vorüber. Mike verneigte sich. Mork stehe ihm bei, falls sein Institut je entdeckte, daß er selbstgebrautes Acid gegen gute Noten eintauschte.
„Daher werde ich alles tun, was nötig ist, um fest angestellt zu werden, Sherry. Du hast mich fälschlicherweise eines Verbrechens beschuldigt. Für die Psych-Leute wäre es ein Kinderspiel, einen Wissenschaftler mit einem solchen Motiv festzunageln. Wenn wir anfangen, Kollegen umzubringen, setzt man uns so unter Drogen, daß wir zu kichernden Idioten werden, und irgendein verdammter graduierter Student wird an unserer Stelle verpflichtet – und fest angestellt. Daher bringe ich niemanden um. Ich möchte bloß das Gleichgewicht der Natur, den natürlichen Verlauf der Dinge, etwas beschleunigen und meine eigene Zukunft sichern.“
„Wie?“ fragte ich. Dieses Gerede vom Gleichgewicht der Natur klang in meinen Ohren nach einer Ausrede, und so etwas macht mich immer
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