Anansi Boys
…«
Er brach ab. Eine Frau in e i nem roten Glitzerkleid kam, ein Mikrofon in der Hand, ein ausladendes Lächeln im Gesicht, auf ihren Tisch zu. Sie hatte es auf Fat Charlie abgesehen. Sie sprach in ihr Mik r ofon: »Wie heißen S i e, mein Lieber?«, und hielt Fat Charlie das Mikro unter die Nase.
»Charlie Nancy«, sagte Fat Charlie. Seine Stimme zitterte und krächzte.
»Und wo kommen Sie her, Charlie?«
»England. Ich und meine Freunde. Wir sind alle aus England.«
»Und was machen Sie beruflich, C h arlie?«
Alles verlangsa m te sich. Es war, als wü r d e er, oben auf der Klippe stehend, einen K opfsprung i n s Meer machen. Es wa r de r einzig e Auswe g . E r holt e tie f L u f t un d sagte : »Ich bi n gra d dabei , mi r eine n neue n Jo b z u suchen« , began n er.
»A b e r ei g entlic h bi n ic h Sänger . Ic h sing e . Ge n a u wi e Sie.«
»Wie ich? Was für Sachen singen Sie?«
Fat Charlie schluckte. »Was für Sachen haben Sie denn?«
Sie wandte sich den ander e n Personen an Fat Charlies Tisch zu. »Meinen Sie, wir können ihn dazu überreden, etwas für uns zu singen?«, fr a gte sie, m i t ihrem Mikrofon gestikulierend.
»Äh. Glaube nicht. Nein. V ö l l ig ausgeschlossen«, sagte Grahame Coats. Da i sy zuckte die Achseln, die Hände i m mer brav auf dem Tisch.
Die Frau i m roten Kleid drehte sich z u m Rest des S aals u m . »Was halten wir davon?«, fragte sie in die Runde.
Zurückhaltendes Klatschen k a m von den Speisenden an den anderen Tischen, das Rest a urantpersonal aber applaudierte m it Nachdruck. Der B a rkeeper rief: »Singen Sie für uns!«
Die Sängerin beugte sich zu F a t C h arlie, deckte d a s Mikro ab und sagte: »Sollte i r gendwas sein, was die Jungs kennen.«
Fat Charlie sagte: »Kennen sie ›Under the Boardwalk‹?« Sie nickte, kündigte den Song an und übergab ihm das Mikrofon.
Das Orchester begann zu spi e len. Die Sängerin ge le itete Charlie, d e m das Herz heftig bis in den Hals schlug, auf die kleine Bühne.
Fat Charlie begann zu sing e n und das Publikum begann zuzuhören.
Er hatte n ichts anderes beabsichtigt, als Zeit zu g e winnen, aber jetzt stellte er fest, dass er sich w ohlfühlte auf d e r Bühne. Niemand warf m it Sache n . In seinem Kopf schien noch jede Menge Platz zum N a chdenken zu sein. Er nahm jede einzelne Person im Saal wahr: die Touristen, das Bedienungspersonal und die Leute an der Bar. Er konnte alles sehen: Er sah den Barkeeper einen Coc k tail a b me s sen, sah die alte Frau ganz hinten im Saal, wie sie Kaffee i n einen großen Plastikbecher goss. Er hatte immer noch Angst, war immer noch wütend, aber er nahm all die Angst und all die Wut und steckte sie in den S o ng, ließ e i nen Song über das Abhängen und über das Lieben d a raus werden. Während er sang, überlegte er.
Was würde Spider t un?, überlegte Fat Charlie. Was würde mein Dad tun?
Er sang. In seinem Lied erzählte er allen Leuten ganz genau, was er unter der Uferpro m enade zu tun gedachte, und dabei ging es h a uptsächlich um die Liebe und die da m it verbunden e n Tätigkeiten.
Die Sängerin im roten Kleid lächelte, schnippte m it den Fingern und wiegte sich in den Hüften zum Rhyth m us der Musik. Sie beugte sich zum Mikrofon des Keyboarders und begann die Har m oniestimme zu singen.
Ich singe tatsächli c h vor Publikum, dachte Fat Charlie.
Meine Fresse.
Er behielt vor allem G r ahame Coats i m Auge.
Als er in den letzten Refr a in einstieg, begann er die Hände über den Kopf zu heben und den Takt zu klatschen, und bald fiel der g a nze Saal ins Klatschen ein, die Gäste, die Kellner und die Köche, al l e außer Grahame C o ats, dessen Hände unterhalb der Tisch d ecke verblieben, und Daisy, deren Hände flach au f der Tischdecke lagen. Daisy sah ihn an, als sei er nicht nur vollkommen übergeschnappt, sondern habe sich auch einen extrem ab g e fahrenen Augenblick ausgesucht, um die Drifters oder den Mick Jagger in sich zu en t d ecken.
Das Publ i kum klatschte, F a t Charlie lächelte und sang, und während er sang, wusste er plötzlich, ohne den leisesten Zweifel, dass alles gut werden würde. Niemandem würde etwas geschehen, ihm n i cht, Spider und Daisy nicht, und auch Rosie nicht, wo imm e r sie sein m o chte. Er wusste jetzt, was er tun würde: Es war töricht und abgedreht, die Tat eines Vollidiot e n, aber es würde funktionieren. Und als die letzten Töne des Songs verklangen, sagte er: »Da ist eine junge Dame an dem Tis c h,
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