Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
Sie mich. Kassieren Sie Usdetschkin und Ismailow ein und ermitteln Sie selbst, wer dieser Makarow ist. Einen dritten Weg gibt es nicht.«
»Anastasija, mir scheint, Sie brechen unsere Abmachungen«, schritt Denissow vorsichtig ein. »Haben wir das etwa so ausgemacht?«
»Eduard Petrowitsch, üben Sie keinen Druck auf mich aus, mir ist auch so schon ganz schlecht. Wenn wir nach unseren Abmachungen gehen, so haben wir vereinbart, daß ich Ihnen bei der Aufdeckung einer verbrecherischen Gruppierung helfe, die mit ›lebender Ware‹ Handel treibt. Wie sich heute herausgestellt hat, gibt es eine solche Gruppierung nicht. Aber Ihnen zu helfen, eine Gruppe von Mördern aus der Filmbranche zu entdecken und zu entlarven, das habe ich nicht versprochen. Sie haben mir nichts vorzuwerfen.«
»Und was ist mit Makarow?« erinnerte sie Eduard Petrowitsch. »Sie haben doch versprochen, ihn zu finden?«
»Gut«, Nastja lächelte müde, »Sie haben mich überzeugt. Wer Makarow ist, das werde ich herausfinden. Aber nur unter einer Bedingung . . .«
»Ich habe verstanden, Anastasija, und ich werde Sie nicht länger quälen. Tolja, ruf in der Polizeidirektion an, sie sollen sich um Leiche und Mörder kümmern. Geh, Tolja, mach es gleich, solange Anastasija hier ist, mach sie nicht nervös.«
Starkow eilte aus dem Raum, und Eduard Petrowitsch stand auf und ging zu dem Lehnstuhl, in dem Nastja saß – zusammengekrümmt und mit hochgezogenen Beinen.
»Anastasija«, begann er vorsichtig. »Warum ist es so schwer für Sie? Was ist mit Ihnen geschehen? Sind Sie beunruhigt, weil Sie Ismailow nahestehen?«
»Ich?« Nastja hob den Kopf und sah Denissow erstaunt an. »Ich habe Ismailow niemals nahegestanden. Er hat mir nur aus irgendwelchen Gründen den Hof gemacht, und ich glaube sogar zu wissen, aus welchen. Mir wäre beinahe das passiert, was heute mit Swetlana geschehen ist. Irgendein Verrückter hat mich verfolgt, offensichtlich einer dieser Kunden. Deshalb hat sich Damir solche Sorgen gemacht und sich bemüht, in meiner Nähe zu sein, denn meine Leiche hätte man nicht so einfach verschwinden lassen können. Ist Ihnen aufgefallen, daß sowohl Swetlana als auch der Kleine ganz allein sind? Sie haben keine Verwandten und niemand vermißt sie, zumindest nicht so, daß er zur Polizei rennen und eine Vermißtenanzeige aufgeben würde. Diese Filmbande ist extrem vorsichtig, nur bei Alferow ist was schiefgegangen. Natürlich sind das alles Vermutungen. Aber das hieße, daß Ismailow mich vor dem Tod bewahrt hat, und ich liefere ihn aus Dankbarkeit der Polizei aus.«
»Sind Sie deshalb so verstimmt?«
»Aber nein, wo denken Sie hin, ich habe Ihnen nur das mit Ismailow erklärt. Ich hatte mich wirklich, es gab so einen Moment, fast in ihn verliebt, aber das war schnell vorbei.«
»Also was ist es dann?« Denissow wiederholte leise seine Frage.
Angesichts dieser leisen Stimme und der zärtlichen Zuwendung traten Nastja Tränen in die Augen. Mein Gott, wie war ihr schlecht! Und wie erschöpft sie sich fühlte.
»Sich so etwas ausdenken und durchführen, konnte nur ein böses Genie. Einen psychisch schwer abnormen Menschen ausfindig zu machen, ihm vorzuschlagen, einen Film zu drehen, wo alles so ist, wie er es wünscht, ein Drehbuch zu schreiben und die Darsteller nach den Wünschen des Auftraggebers auszuwählen, die Aufnahmen zu organisieren, die Leichen in dem Fall zu verstecken, falls der Auftraggeber unbedingt jemand vor laufender Kamera töten will – eine solche Aufgabe ist mit unerhörten Schwierigkeiten verbunden. Aber noch schwieriger ist eine andere Sache. Die Geschichte von Swetlana Kolomiez zeigt, daß es nicht der erste Film ist, den Marzew in Auftrag gegeben hat. Ein ständiger Auftraggeber, auch wenn er einer von vielen ist, ist Zeugnis dafür, daß die von Ismailow gedrehten Filme tatsächlich zumindest diesem einen Auftraggeber helfen, seine Krankheitsanfälle zu überwinden. Denn wenn dem nicht so wäre, wäre er nicht wieder zu Ismailow gekommen. Können Sie sich das Talent vorstellen, das nötig ist, um solche Filme zu drehen? Eduard Petrowitsch, ich könnte heulen bei dem Gedanken, daß so talentierte Menschen heute nur mehr von psychisch Kranken gebraucht werden. Wie konnte es geschehen, daß die Gesellschaft sie nicht angenommen hat? Warum ist das so gekommen? Diese talentierten Menschen hassen uns alle und töten erbarmungslos jeden Menschen, der den Anforderungen des Auftraggebers entspricht, und nur deshalb,
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