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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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in den bronzefarbenen BMW ein und ließ den Motor an. Das Mädchen hüllte sich fröstelnd in einen schicken langen Mantel, ging um den Wagen herum und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Der Wagen fuhr davon.
    »Gehen wir«, kommandierte ihr Fahrer.
    Swetlana kam umgezogen aus der Kabine und ging zu dem Pferdegesicht, das mit einer Videokamera am Beckenrand stand. Niemand sonst war in der Halle, was Swetlana irgendwie beruhigte. Sie hatte befürchtet, daß bei der Schau irgendwelche dahergelaufenen Typen als angebliche Firmenmitarbeiter dabeiständen, weil sie gern schöne und außerdem noch nackte Mädchen begafften (vielleicht sogar gegen Bezahlung). Daß der Mensch mit der Kamera ganz allein war, überzeugte sie mehr als alle guten Referenzen vorher.
    »Was soll ich machen?«
    »Nichts besonderes. Seien Sie locker und ausgelassen, tanzen Sie, schwimmen Sie. Versuchen Sie, attraktiv zu wirken. Zeigen Sie dem Kunden, was Sie zu bieten haben. Ich werde alles aufnehmen. Na los!« Er schubste sie leicht zum Becken.
    Zuerst kam sie sich blöd vor, wußte nicht, wohin mit ihren Armen und Beinen, sie hatte keine Ahnung, wie sie ›sich zeigen‹ könnte. Dann dachte sie an das Haus mit Dienstboten und versuchte sich vorzustellen, wie sie einfach so zum Vergnügen im eigenen Pool schwamm. Ihre Bewegungen wurden weicher, fließender, ein paar Mal tauchte sie sogar, denn sie wußte, wie schön ihr kastanienbraunes Haar im blauen Wasser aussah.
    »Es reicht!« rief der Mann mit der Kamera. »Danke. Sie können sich anziehen.«
    Als Swetlana aus dem Gebäude trat, begleitet von dem Fahrer, der geduldig vor der Umkleidekabine gewartet hatte, sah sie, daß neben ihrem Wagen bereits ein neuer stand. Die nächste Kandidatin für den türkischen Thron.
    * * *
    In dem kleinen Zimmer im zweiten Stock verfolgten vier Männer aufmerksam das Geschehen im Schwimmbad. Als Swetlana an der Reihe war, meinte Jurij Fjodorowitsch bestimmt:
    »Die ist es! Die Ähnlichkeit ist verblüffend.«
    Er zog ein Foto seiner Mutter aus der Hosentasche. Er warf zuerst nochmal einen Blick auf das Foto, dann auf das Mädchen im Schwimmbad.
    »Ohne jeden Zweifel, sie ist es. Man braucht sie nur ganz wenig zu schminken. Größe, Haarfarbe, Gesichtsausdruck –alles paßt.«
    »Wunderbar«, meinte der Mann mit dem hellen Haar und den dunklen Augen, »damit wäre es bei Ihnen schon mal erledigt. Soll Sie jemand hinausbegleiten?«
    Marzew nickte stumm.
    Der Dritte in der ›Guckkammer‹ war ein älterer Mann in einem perfekt geschneiderten teuren Anzug. Ihm hatte bisher keine gefallen, aber er war nicht zum ersten Mal hier und wußte, daß die Nymphchen immer erst zum Schluß kamen. Man glotzt, der Kunde sucht sich eine von den Älteren aus, von denen, die am Anfang gezeigt werden. Das war sogar besser, denn mit den Minderjährigen war es viel zu riskant. Das mußte man nach Möglichkeit immer vermeiden. Aber auf ihn traf diese Regel nicht zu, schließlich wußte er genau, was er wollte, ihn konnte man mit solchen Tricks nicht drankriegen. Er, Assanow, war schon siebenundsechzig, und ein Mädchen älter als dreizehn würde er nicht nehmen. Besser noch jünger. Also, abwarten.
    Der vierte, Sarip, schaute nur noch pro forma durch das Guckfenster. Er wußte, daß ihm von diesen Mädchen keines gefallen würde. Er brauchte die, die er tagsüber gesehen hatte. Und er würde sie bekommen. Koste es, was es wolle.
    * * *
    Heute war Nastja fleißig gewesen, sie hatte ihr Soll sogar übererfüllt. Und da sie ihren am Morgen gefaßten Entschluß auch umsetzen wollte, nahm sie sich vor dem Mittagessen eine volle Viertelstunde Zeit, um sich zu schminken und das Haar zu kämmen, damit es schöner fiel. Die Therapie zeigte spürbaren Effekt, es bereitete ihr sogar einiges Vergnügen, die Garderobe für den Speisesaal auszusuchen.
    Nach dem Mittagessen machte sie sich zu einem Spaziergang auf. Sofort hatte sie irgendeinen widerlichen Gnom neben sich, der ihr eine Unterhaltung aufdrängen wollte. Nastja zwang sich dazu, sich auf ein Gespräch einzulassen, doch nach zehn Minuten ödete es sie dermaßen an, daß sie das sich selbst gegebene Versprechen, friedlich und umgänglich zu sein, brach.
    »Entschuldigen Sie, könnten Sie mich nicht einfach allein lassen?« sagte sie und bog in einen Seitenweg ein.
    Der Kleinwüchsige erwies sich jedoch als ziemliche Klette. Er scharwenzelte um Nastja herum und plapperte irgendeinen Schwachsinn, wobei er gar keine Antwort erwartete. Und

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